NEUE JUDIKATUR ZUM FAMILIENRECHT & WEITERE NEWS

Der Blog umfasst aktuelle Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Arbeit im Familienrecht und nützliche Informationen.
Bei den wiedergegebenen OGH-Entscheidungen handelt es sich um wörtliche Zitate (teilweise ohne Belegstellen).

Unterhaltsverwirkung wegen Verkaufs eines wertvollen Bildes aus dem Eigentum des Ehepartners

17. März 2025|

Die Ehefrau verweigerte nach dem Auszug des Mannes aus der Ehewohnung die Herausgabe eines wertvollen Bildes, das sich in seinem Alleineigentum befand, verkaufte das Gemälde ohne sein Wissen und seine Zustimmung, verheimlichte ihre Vorgangsweise über einen längeren Zeitraum und verlangte ehelichen Unterhalt. Ihr Begehren wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Die Eheschließung der Parteien fand im Jahr 1996 statt. Im April 2015 zog der Mann aus der Ehewohnung aus. Mittlerweile wurde die Ehe rechtskräftig gemäß § 55 EheG geschieden und der Antrag der Frau, das Verschulden des Mannes an der Ehezerrüttung auszusprechen, rechtskräftig abgewiesen. Seit 2019 ist zwischen den geschiedenen Ehepartnern ein Unterhaltsverfahren nach § 94 ABGB für den Zeitraum ab 1996 anhängig, seit Februar 2024 führen sie ein Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff. EheG.

Mit ihrem am 5.10.2020 im Scheidungsverfahren eingebrachten Antrag begehrte die Frau den Zuspruch einstweiligen ehelichen Unterhalts sowie einen Prozesskostenvorschuss für bereits angefallene und künftig anfallende Verfahrenskosten gemäß § 382 Z 8 lit a EO. Der Mann wandte unter anderem ein, dass er seine Geldunterhaltszahlungen seit Oktober 2020 aufgrund der Unterhaltsverwirkung durch die Frau eingestellt habe. Dabei stützte er sich vor allem darauf, dass die Frau ein in seinem Alleineigentum stehendes Bild mit einem Wert von rund einer Million Euro ohne sein Wissen verkauft habe, und überdies auf weitere Eheverfehlungen.

Das Erstgericht wies den Provisorialantrag der Frau ab. Zwar habe der Mann seine Unterhaltspflicht verletzt, aber die Frau habe ihren Unterhaltsanspruch – einschließlich ihres Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss – verwirkt, weil sie das dem Mann gehörende wertvolle Bild ohne sein Wissen verkauft habe, obwohl sie wusste, dass es in seinem Alleineigentum gestanden sei. Außerdem habe sie von der Aufteilung ausgenommene Sachen des Mannes nicht an ihn herausgegeben. Überdies sei ihr anzulasten, dass sie nach seinem Auszug ohne Zustimmung des Mannes eigenmächtig auf seine Geschäftsdaten zugegriffen habe und eine außereheliche Beziehung eingegangen sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und leitete die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs vor allem aus dem unberechtigten Verkauf des Bildes und dem eigenmächtigen Zugriff auf die Daten ab.

Aus der OGH-Entscheidung:

Gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 ABGB bleibt der Unterhaltsanspruch des den Haushalt führenden Ehegatten nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft bestehen, wenn nicht seine Geltendmachung – besonders wegen der Gründe, die zu deren Aufhebung geführt haben – ein Missbrauch wäre. Dieser Einwand steht auch im Provisorialverfahren zu. Die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs erfordert eine schwerwiegende Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten, die dessen Geltendmachung grob unbillig (rechtsmissbräuchlich) erscheinen ließe. Auch schwere Verfehlungen gegen die wirtschaftliche Sphäre des Ehepartners können den Unterhaltsanspruch verwirken. (…)

Bescheinigt wurde, dass die Frau ein Bild des Mannes 2019 während aufrechter Ehe in Kenntnis des Alleineigentums des Mannes und ihrer fehlenden Verfügungsbefugnis um einen Betrag „zwischen 646.000€ und 700.000€“ verkaufte, ohne ihn davon zu informieren. Eine Aufforderung des Mannes zur Herausgabe des Bildes hatte sie vor dessen Verkauf ignoriert. Einem Ersuchen des Mannes um Herausgabe des Bildes nach dessen Verkauf entgegnete die anwaltlich vertretene Frau nur allgemein, dass sie hinsichtlich des Hausrats von ehelicher Errungenschaft ausgehe. Dass sie das Bild bereits verkauft hatte, teilte sie dem Mann nicht mit. In ihrem Antrag auf Zuerkennung einstweiligen Unterhalts behauptete sie, dass es das vom Mann herausverlangte Bild nicht gäbe. Erst aufgrund seiner weiteren Nachfrage, ob sich dieses noch in der ehemaligen Ehewohnung befinde, weil es nur dort versichert sei, entgegnete sie, das Bild „vor einer Weile“ verkauft zu haben. Sie gab dem Mann weder die Höhe des Kaufpreises noch die Identität des Käufers bekannt.

Dass das Rekursgericht auf Basis dieser Feststellungen sowie der eingangs dargelegten Grundsätze eine Unterhaltsverwirkung annahm, begründet keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs kommt es neben dem objektiven Gewicht des Fehlverhaltens auch auf die subjektive Verantwortlichkeit (also das Verschulden an der Eheverfehlung) an (RS0005919 [T3, T4]). Das objektiv schwere Gewicht des Fehlverhaltens der Frau ergibt sich schon daraus, dass der Verkauf des zuletzt ausschließlich in ihrer Gewahrsame befindlichen wertvollen Bildes den objektiven Tatbestand der Unterschlagung (mit der Wertqualifikation des § 133 Abs. 2 Fall 2 StGB) begründete.

Es ist auch zumindest vertretbar, dass die Vorinstanzen der Frau den Verkauf des Bildes des Mannes subjektiv als schwere Eheverfehlung anlasteten, verkaufte sie dieses doch im Wissen, nicht dessen Eigentümer zu sein und daher nicht darüber verfügen zu dürfen. Sie kannte unzweifelhaft auch dessen hohen Wert, war dies doch ganz offensichtlich der Grund für den Verkauf (gerade) des Bildes. Für ein schweres Verschulden der Frau an ihrer Eheverfehlung spricht auch, dass sie das Bild heimlich verkaufte, obwohl der Mann zuvor dessen Herausgabe gefordert hatte, und dass sie dessen Verkauf auch danach (und bis zuletzt auch den Verkaufserlös und die Identität des Käufers) verheimlichte.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich auch im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung, ging der OGH doch bereits zu 3 Ob 221/73 davon aus, dass die widerrechtliche Wegnahme eines vom Mann nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hinterlassenen Geldbetrags von 30.000 ATS objektiv eine schwere Verfehlung des Unterhaltsberechtigten (im Sinn des § 74 EheG) begründe, die eine Verwirkung seines Unterhaltsanspruchs rechtfertige. Die subjektive Vorwerfbarkeit wurde in der genannten Entscheidung nur deshalb verneint, weil die Frau irrtümlich der Rechtsansicht war, über das Geld verfügen zu dürfen (vgl. in diesem Sinn auch 7 Ob 181/17v). Davon kann hier nach dem bescheinigten Sachverhalt aber nicht ausgegangen werden, verkaufte die Frau das Bild doch im Wissen, dazu nicht berechtigt zu sein. In dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall erstattete die Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltsverpflichteten den entwendeten Betrag außerdem nach wenigen Tagen zurück, wohingegen die Frau ihre unberechtigte Verfügung über das Bild des Mannes hier noch lange Zeit zu verheimlichen versuchte.

Auch die weiteren Argumente der Frau überzeugen nicht: Entgegen ihrer Ansicht entbindet die Zerrüttung der Ehe nicht von der Prüfung der Frage, ob ein Ehegatte seine Unterhaltsansprüche (danach) verwirkt hat (1 Ob 22/24b mit weiteren Nachweisen). Soweit die Frau argumentiert, dass sie das Bild nur verkauft habe, um aus dem Erlös ihre laufenden Kosten (insbesondere für gegen den Mann geführte Gerichtsverfahren) zu finanzieren, ist ihr zu entgegnen, dass sie dafür (schon früher) einstweiligen Unterhalt (auch für die Prozesskosten) nach § 382 Z 8 lit a EO hätte beantragen können. Dass und warum dies nicht zielführend gewesen wäre, legt die Rechtsmittelwerberin nicht dar. Es ist ihr auch entgegenzuhalten, dass sie das Bild des Mannes zu einem Zeitpunkt verkaufte, zu dem sie von ihm einen monatlichen Geldunterhalt von 5.000€ erhielt, wobei er auch die Kosten des von der Frau weiter bewohnten Hauses von rund 9.000€ monatlich zahlte. Daher kann auch ihr Argument, der Mann habe versucht, sie schon vor Verkauf des Bildes wirtschaftlich zu vernichten (weshalb ihr dieser nicht vorzuwerfen sei), nicht überzeugen. Zudem hätte gerade die von ihr behauptete unzureichende Unterhaltsleistung ein (früheres) Vorgehen nach § 382 Z 8 lit a EO gerechtfertigt. Dies ist auch ihrem Argument entgegenzuhalten, ihr wären – vor allem unter Berücksichtigung der dem Mann zuzurechnenden Privatstiftung (seines daraus erzielten Einkommens) – weitaus höhere Unterhaltszahlungen zugestanden. (…)

Das Rekursgericht hat daher den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn es den Anspruch der Frau auf einstweiligen Unterhalt (einschließlich eines Prozesskostenvorschusses) bereits aufgrund des Verkaufs des im Alleineigentum des Mannes stehenden wertvollen Bildes als verwirkt annahm. Ob darüber hinaus auch die weiteren Vorwürfe des Mannes als schwerwiegende und daher für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs maßgebliche Eheverfehlungen anzusehen wären, muss nicht beurteilt werden.

OGH 21.1.2025, 1 Ob 160/24x

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