NEUE JUDIKATUR ZUM FAMILIENRECHT & WEITERE NEWS

Der Blog umfasst aktuelle Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Arbeit im Familienrecht und nützliche Informationen.
Bei den wiedergegebenen OGH-Entscheidungen handelt es sich um wörtliche Zitate (teilweise ohne Belegstellen).

Kann der Vater die Räumung der elterlichen Liegenschaft durch die Tochter gegen den Willen der Mutter durchsetzen?

05. März 2024|

Die Eltern sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses, in dem ihre Tochter zunächst mit Einverständnis beider Eltern wohnte und für dessen Benützung sie dem Vater einen monatlichen Pauschalbetrag zahlte. Als der Vater die Tochter zum Auszug aufforderte und gegen sie eine Räumungsklage bei Gericht einbrachte, widersprach die Mutter seiner Vorgehensweise. Der OGH hatte in einer Entscheidung vom Dezember 2023 zu beurteilen, ob der Vater ein Räumungsbegehren gegen die Tochter durchsetzen kann, wenn sich die Mutter ausdrücklich gegen diese Klageführung ausgesprochen hat.

523 ABG regelt unter anderem die sogenannte Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria), die gegen unberechtigte Eingriffe in Eigentumsrechte erhoben werden kann (vgl. RS0012040) und vom Eintritt eines Schadens durch einen solchen Eingriff, von einem Verschulden oder von einer Störungsabsicht unabhängig ist. Das materielle Recht des Eigentümers, dritte Personen von der Sachnutzung auszuschließen, folgt schon aus § 362 ABGB; die Negatorienklage ist daher bereits bei objektiver Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung erfolgreich. Dazu muss der Kläger sein Eigentum und den Eingriff des Beklagten dartun, während dieser die Berechtigung seines Eingriffs in das Eigentumsrecht und daher etwa ein Nutzungsrecht zu beweisen hat (vgl. RS0012186).

Wenn es um die Abwehr von Eingriffen dritter Personen in ein bestehendes Recht geht, ist nach ständiger Rechtsprechung des OGH jeder Miteigentümer allein zur Klage nach § 523 ABGB befugt (RS0012114; RS0013417), weil es jedem Miteigentümer zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Dies gilt auch in Fällen, in denen ein Miteigentümer nur die Minderheit der Anteile am gemeinsamen Eigentum repräsentiert. Daher kann grundsätzlich jeder Miteigentümer auch eine Räumungsklage ohne Zustimmung der weiteren Miteigentümer bei Gericht einbringen. Dieses Klagerecht des einzelnen Miteigentümers gegen dritte Personen kommt freilich nur dann in Betracht, wenn die Klage den Zweck verfolgt, im Interesse der Gesamtheit den Eingriff eines Dritten in die gemeinsame Sache abzuwehren. Die alleinige Aktivlegitimation steht einem Miteigentümer daher nur insoweit zu, als er sich mit seinen Ansprüchen nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt. Aus diesem Grund ist eine Klage nach § 523 ABGB gegen den Willen eines Miteigentümers unzulässig.

Im vorliegenden Fall wies das Erstgericht das auf Räumung einer Liegenschaft mit Einfamilienhaus  gerichtete Klagebegehren des Vaters ab. Die beklagte Tochter nutze diese Liegenschaft. Die Mutter (und Ehefrau des Klägers) als weitere Hälfteeigentümerin der Liegenschaft habe der Klage ausdrücklich widersprochen.

Das Berufungsgericht gab dem dagegen erhobenen Rechtsmittel des Klägers nicht Folge.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Klägers wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

Aus der OGH-Entscheidung:

1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechungsgrundsätze zur Aktivlegitimation eines (schlichten) Miteigentümers richtig wiedergegeben. Danach kann die auf Abwehr von Störungen gerichtete Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB und damit auch eine Räumungsklage (RS0012114 [T7]; RS0013417 [T22]) zwar grundsätzlich von jedem Miteigentümer erhoben werden (RS0012112; RS0012137 u.a.). Der einzelne (schlichte) Miteigentümer ist nach dieser Rechtsprechung aber nur dann allein aktivlegitimiert, wenn er sich mit seinen Ansprüchen nicht in Widerspruch zu den anderen Miteigentümern setzt (RS0012114 [T23]; RS0012137 [T17]; RS0013417 [T23]).

2. Nach dem insoweit unstrittig gebliebenen Vorbringen des Klägers hat die Beklagte das Haus zunächst mit Einverständnis beider Eltern (den Hälfteeigentümern) genutzt und dem Kläger dafür monatlich einen Pauschalbetrag bezahlt. Sie hielt dem Räumungsbegehren entgegen, dass die Klage den Interessen ihrer Mutter widerspreche, die sich nach dem festgestellten Sachverhalt auch ausdrücklich gegen die Klageführung ausgesprochen hat. Davon ausgehend entspricht die Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen der herrschenden Rechtsprechung (siehe nur 3 Ob 135/14w). Soweit der Kläger damit argumentiert, dass für das in den 1960er-Jahren errichtete Einfamilienhaus keine aufrechte Baubewilligung bestehe, kann er nicht darlegen, aus welchen Gründen daraus seine Aktivlegitimation folgen soll. Dass zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt (Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) kein behördliches Nutzungsverbot bestand, folgt selbst aus seiner Argumentation in dritter Instanz. Aus bloß möglichen verwaltungsrechtlichen Folgen einer fehlenden Baubewilligung kann er bei gegebener Sachlage seine Aktivlegitimation nicht ableiten. (…)

OGH 5.12.2023, 5 Ob 208/23h

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