Zum Zeitpunkt der Scheidung ihrer Ehe waren beide Ehepartner in Pension. Das Einkommen des Mannes setzte sich aus Pensionsbezügen und Rentenzahlungen aus zwei Lebensversicherungsverträgen zusammen. 20 Jahre später wählte der Mann eine einmalige Kapitalablöse seines Anspruchs aus einem Versicherungsvertrag an Stelle weiterer Rentenleistungen und vertrat die Auffassung, dass (dadurch) der Unterhaltsanspruch der Frau erloschen sei. Die Gerichte teilten diese Ansicht nicht: Die vom Mann nicht mehr bezogenen Einkünfte aus dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleichs bestehenden Lebensversicherungsvertrags sind weiterhin der Unterhaltsbemessungsgrundlage zugrunde zu legen.

Aus der OGH-Entscheidung:

Der Kläger verpflichtete sich im Oktober 1998 im anlässlich der einvernehmlichen Scheidung der Ehe mit der Beklagten geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich, ihr einen monatlichen, wertgesicherten Unterhaltsbeitrag zu zahlen. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich beide bereits in Pension und bezogen jeweils ein Pensionseinkommen. Der Kläger hatte während aufrechter Ehe sein Dienstverhältnis beendet und neben einer Abfertigung von 1,5 Mio. ATS auch eine (kapitalisierte) „Firmenpension“ von 3,4 Mio. ATS ausgezahlt erhalten. Diese Beträge hatte er bei zwei Lebensversicherern in Form von Einmalerlägen veranlagt, woraus er zum Zeitpunkt der Scheidung – neben der Pensionszahlung – monatliche Rentenzahlungen erhielt.

Aus dem Einmalerlag der Abfertigung bei einem Lebensversicherer erhält der Kläger weiterhin eine monatliche Rente bis zu seinem Ableben ausgezahlt.

Aus dem Einmalerlag der „Firmenpension“ in den weiteren Rentenversicherungsvertrag erhielt der Kläger die monatliche Rente bis 31.1.2008. Vereinbart war, dass ab 1.2.2008 eine garantierte monatliche Bonusrente von 15.382 ATS zuzüglich Gewinnbeteiligung an ihn bis zu seinem Tod zur Auszahlung kommt. Im Jänner 2008 erhielt der Kläger vom Lebensversicherer die Information, dass die Rentenleistung ab 1.2.2008 bis zu seinem Ableben monatlich 1.797,43 € und (alternativ) der Kapitalablösewert samt Gewinnanteilen 206.920,27 € beträgt. Er entschloss sich, die Versicherungsleistung nicht als Rente, sondern als einmalige Kapitalablöse auszahlen zu lassen und erhielt im Februar 2008 206.920,27 €. Damit sind weitere Ansprüche aus diesem Rentenversicherungsvertrag „erloschen“.

Der Kläger bezieht derzeit seine Alterspension und erhält aus dem weiterhin bestehenden Rentenversicherungsvertrag eine monatliche Leistung. Die Beklagte bezieht ihre Alterspension.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten aus dem Unterhaltsvergleich ab 1.4.2018 erloschen sei, hilfsweise die Herabsetzung auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 20 €. Während er zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch Versicherungsleistungen aus zwei Lebensversicherungsverträgen bezogen habe, beziehe er nunmehr lediglich sein Pensionseinkommen und eine Versicherungsleistung. Der weitere Lebensversicherungsvertrag sei mit der Zahlung eines Einmalbetrags im Jahr 2008 beendet worden.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt-, als auch das Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der OGH wies die Revision zurück.

Im Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG ist ein gesetzlicher Unterhalt nicht vorgesehen, sondern müssen die Ehegatten vorab die Unterhaltsfolgen vereinbaren, weil sonst die Ehe nicht geschieden werden darf (§ 55a Abs. 2 EheG). § 69a Abs. 1 EheG stellt den aus einer Vereinbarung nach § 55a Abs. 2 EheG geschuldeten Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleich (insbesondere in Bezug auf die Umstandsklausel und die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes), soweit dieser Unterhalt den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist.

Nach den Feststellungen beruhte die Entscheidung des Klägers, sich den zweiten Lebensversicherungsvertrag, mit dem er seine Firmenpension angelegt hatte, im Jahr 2008 als einmalige Kapitalablöse auszahlen zu lassen, auf seinem freien Willensentschluss, war nicht von äußeren Umständen – wie z.B. der Kündigung des Vertrags durch den Lebensversicherer – beeinflusst und erfolgte auch nicht in Abstimmung mit der Beklagten. (…)

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ein Verzicht auf die Geltendmachung von dem Unterhaltsschuldner zustehenden Ansprüchen nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen dürfe, für die Auszahlung des Kapitalablösebetrags an Stelle der Rente auf Lebenszeit keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorgelegen seien und sein einseitiges Abgehen von den Grundlagen des Unterhaltsvergleichs zum Nachteil der Beklagten zur Anwendung des Anspannungsgrundsatzes führe, ist nicht zu beanstanden. Führt der unterhaltspflichtige Kläger durch sein Verhalten eine wesentliche Änderung seiner laufenden Einkünfte bewusst herbei, für die er keine berücksichtigungswürdigen Gründe nennt, liegt keine Fehlbeurteilung vor, wenn die Vorinstanzen (in Anwendung des Anspannungsgrundsatzes) jenes Einkommen zugrunde legten, das er aus dem zweiten Lebensversicherungsvertrag bei Auszahlung einer monatlichen Rente erzielt hätte.