Die Ehepartner leben seit Juli 2017 getrennt, ihre Ehe wurde aus dem Verschulden der Frau geschieden. Mit der Alleinobsorge für den 14 Jahre alten Sohn ist der Mann betraut. Zuletzt lebte die Familie gemeinsam in einem Haus, das die Frau von ihren Eltern geschenkt erhalten hatte und das damit gemäß § 82 Abs. 1 Z 1 EheG grundsätzlich von einer nachehelichen Vermögensteilung ausgeklammert bleiben soll. Während des Aufteilungsverfahrens übersiedelte der Mann mit dem Kind in eine Mietwohnung. Dennoch bezogen die Vorinstanzen die bisherige Ehewohnung in die Aufteilungsmasse ein und begründeten dies mit der Überlegung, dass der Sohn einen im Sinn des § 82 Abs. 2 EheG berücksichtigungswürdigen Bedarf an deren Weiterbenützung habe. Der Oberste Gerichtshof korrigierte diese Entscheidungen.
Aus der OGH-Entscheidung:
Die Antragstellerin erhielt von ihren Eltern aufgrund des Schenkungsvertrags vom 16.12.2008 eine Liegenschaft mit einem darauf im Jahr 1964 errichteten Haus, das den Parteien ab Sommer 2015 als Ehewohnung diente. (…) Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erfolgte mit 1.7.2017. (…) Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind nur noch die Zuweisung der Waschmaschine, des Wäschetrockners und des Motorrollers sowie die der Antragstellerin auferlegte Ausgleichszahlung. (…)
Ziel des Aufteilungsverfahrens ist die billige Aufteilung der ehelichen Errungenschaft. Damit ist das während der Ehe, genauer bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, Erarbeitete oder Ersparte gemeint, wobei nicht entscheidend ist, ob die Errungenschaft durch gemeinsame Tätigkeit geschaffen wurde oder ob sie auf Anstrengungen oder Konsumverzicht (Zurückhaltung) beruht.
In die Ehe eingebrachte, von dritter Seite geschenkte und geerbte Sachen unterliegen grundsätzlich nicht der Aufteilung (§ 82 Abs. 1 Z 1 EheG). Lediglich die Ehewohnung ist unter bestimmter Voraussetzung von diesem Grundsatz ausgenommen. Sie ist insbesondere dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn sie zwar von einem Ehegatten in die Ehe eingebracht oder von Todes wegen erworben oder sie ihm von einem Dritten geschenkt wurde, der andere Ehegatte aber auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat. Gleiches gilt für den Hausrat, soweit der andere Ehegatte auf dessen Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist (§ 82 Abs. 2 EheG).
Allfällige Billigkeitsüberlegungen sind für die Frage der Einbeziehung einer Ehewohnung in die Aufteilung gemäß § 82 Abs. 2 EheG nicht relevant. Entsprechende Erwägungen können nur für die Frage bedeutsam sein, wie bei Bejahung der Einbeziehung der ehelichen Wohnung vorzugehen ist.
Das Erstgericht hat die Einbeziehung der Ehewohnung in die Aufteilungsmasse bejaht und dies mit der Überlegung begründet, dass der gemeinsame Sohn der Parteien an der Weiterbenützung des Hauses einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hätte. Aus der Einbeziehung der Wohnung leitete es seine auf Billigkeitserwägungen beruhende Anordnung zur Leistung einer Ausgleichszahlung durch die Antragstellerin ab. Das Rekursgericht trat dieser Argumentation ausdrücklich bei, weil ein Verlassen der Wohnung mit gewissen Beeinträchtigungen des Kindes im persönlichen und sozialen Lebensalltag verbunden wäre; mit dem Auszug des Antragsgegners gemeinsam mit dem etwa 13-jährigen Sohn gehe zwangsläufig eine erhebliche Verschlechterung der Wohnsituation für diesen einher.
Nach der Rechtsprechung des OGH setzt das dringende Wohnbedürfnis gemäß § 82 Abs. 2 EheG eine existentielle Bedrohung desjenigen Teils voraus, der behauptet, auf die Wohnung angewiesen zu sein (RS0058370; RS0058382 [T1] u.a.). Demgegenüber ist der auf den Bedarf des Kindes abstellende Einbeziehungstatbestand niederschwelliger. Ein berücksichtigungswürdiger Bedarf eines Kindes ist nicht erst dann zu bejahen, wenn durch einen Umzug das Kindeswohl gefährdet wäre. Er wird im Regelfall dann angenommen werden können, wenn das Verlassen der bisherigen Wohnung zumindest mit gewissen Beeinträchtigungen des Kindes im persönlichen und sozialen Lebensalltag verbunden wäre, die über die allgemeinen Erschwernisse, die mit einem Umzug verbunden sind, hinausgehen (RS0131619). Das wäre etwa bei einer gravierenden Verschlechterung der Wohnsituation für das Kind der Fall.
Nach den Materialien zum EheRÄG 1999 (ErläutRV 1653 20. GP 28) soll ein berücksichtigungswürdiger Bedarf dann vorliegen, wenn für das Kind mit einem Wohnungswechsel eine Belastung deshalb verbunden ist, weil es aus dem sozialen Umfeld, der Schule, dem Kindergarten oder sonst bisher gewohnten Lebensumständen herausgerissen wird. Geht es um das berücksichtigungswürdige Wohnbedürfnis eines Kindes, um eine sonst nicht in die Aufteilungsmasse fallende Ehewohnung im Sinn des § 82 Abs. 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen, kann diesem Tatbestand nur entsprochen werden, wenn der Bedarf gerade an dieser Wohnung besteht, sodass regelmäßig entweder die Wohnung demjenigen Elternteil übertragen wird, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, oder sonst eine Regelung getroffen wird, die es dem Kind ermöglicht, in der bisherigen Ehewohnung zu verbleiben. Die Einbeziehung der Ehewohnung nach dieser Gesetzesstelle setzt in formaler Hinsicht den Antrag auf deren Zuweisung durch den obsorgeberechtigten Elternteil voraus, weil anderenfalls das Kind erst recht die bisherige Ehewohnung verlassen müsste.
Der Antragsgegner ist mit dem gemeinsamen Sohn während des Verfahrens aus der bisherigen Ehewohnung aus- und in eine Mietwohnung umgezogen. Seinen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung hat er noch vor Beschlussfassung in erster Instanz zurückgezogen. Die mit einem Wohnungswechsel verbundenen Belastungen haben sich für den nunmehr 14-jährigen Sohn damit bereits erfüllt. Dass für ihn darüber hinaus eine Beeinträchtigung im persönlichen oder sozialen Lebensalltag verbunden wäre, hat der Antragsgegner ebenso wenig behauptet wie eine gravierende Verschlechterung der Wohnsituation. Eine solche lässt sich nicht schon daraus ableiten, dass mit der nunmehrigen Mietwohnung keine Möglichkeit zur Gartennutzung vorhanden ist. Diesen Umstand führte der Antragsgegner ohnedies nur zur Begründung dafür ins Treffen, dass die Antragstellerin und nicht er die beiden Hunde übernehmen soll. Damit fehlt es aber an den Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 EheG(vgl. 1 Ob 209/04y).
Zutreffend macht die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs daher geltend, dass die Vorinstanzen die Ehewohnung zu Unrecht in die Aufteilung miteinbezogen haben. Kommt eine Einbeziehung der Ehewohnung nach § 82 Abs. 2 EheG (und damit eine Zuteilung an den Antragsgegner als den für den gemeinsamen Sohn obsorgeberechtigten Elternteil) nicht in Betracht, hat auch eine Bewertung der Wohnung im Rahmen der Ausmessung einer Ausgleichszahlung zu unterbleiben.
OGH 23.9.2020, 1 Ob 96/20d