Die Erziehungsfähigkeit der Mutter war erheblich eingeschränkt, die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge angesichts der massiven Konflikte zwischen den Eltern nicht mehr vertretbar. Der Wunsch der Kinder, beim Vater zu leben, stand im Einklang mit ihren Entwicklungsbedürfnissen. Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 181 Abs. 1 ABGB und die Betrauung des Vaters mit der Alleinobsorge erfüllt.
Aus der OGH-Entscheidung:
Ganz allgemein gelten für Maßnahmen des Gerichts nach § 181 ABGB die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit im Sinn des gelindesten Mittels (§ 182 ABGB). Der Mutter fehlt weitgehend die Empathiefähigkeit und Reflexionsbereitschaft. Ihr ist es nur eingeschränkt möglich, in Konfliktsituationen zu erkennen, was die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes sind und welchen Anteil sie an der Situation hat. Sie weist keine Bindungstoleranz auf. Ihre Abwehrhaltung gegenüber dem Vater hat bereits pathologische Züge angenommen. Entgegen der Ansicht der Mutter kann ihre ausgeprägte eingeschränkte „spezielle“ Erziehungsfähigkeit nicht durch Unterstützungen und Hilfestellungen kompensiert werden, weil ihr nach den Feststellungen jegliche Einsicht und die Veränderungsbereitschaft fehlt, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass Maßnahmen (wie etwa Elternberatung) eine positive Veränderung bringen könnten, gering ist. Die Mutter ist in ihrer Ablehnung des Vaters, die bei den Kindern bereits zu massiven Loyalitätskonflikten führte, massiv verhaftet und es ist ihr nicht möglich, ihr diesbezügliches Verhalten zu reflektieren. Wenn daher das Rekursgericht festhielt, dass ein Verbleib der beiden Minderjährigen bei ihr deren Wohl gefährden würde, ist diese Beurteilung nach den festgestellten Umständen nicht zu beanstanden.
Dass nach der Rechtsprechung als wichtiger Grund schon im Hinblick auf § 138 Z 5 ABGB auch der ernstliche Wille eines mündigen Kindes relevant ist, weil einem solchen Minderjährigen die Obsorge durch einen Elternteil grundsätzlich nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden soll, bestreitet die Rechtsmittelwerberin in Bezug auf ihre 15-jährige Tochter nicht. Der nunmehr 12-jährige Sohn gab wiederholt an, beim Vater leben zu wollen. Dass er deshalb beim Vater bleiben will, weil dieser ihn unter Druck setzt oder bedroht, steht gerade nicht fest. Die positiven Beziehungen zum Vater basieren vielmehr auf dessen liebevollen und wertschätzenden Umgang und darauf, dass dieser ihm ein förderliches und überwiegend entspanntes Umfeld bietet. Als wichtiges Kriterium des Kindeswohls erwähnt § 138 Z ABGB die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit der Meinungsbildung. Der Wille des Kindes bildet somit ein relevantes Kriterium, wobei die Rechtsprechung im Regelfall ab dem 12. Lebensjahr von der Urteilsfähigkeit eines Kindes bezüglich einer Obsorgezuteilung ausgeht.
OGH 23.1.2019, 1 Ob 238/18h