Die Ehe der Eltern ist geschieden, die Mutter der beiden Kinder ist seit einigen Jahren wieder verheiratet. Ihr Ehemann hat eine enge Beziehung zu den Kindern und kümmert sich intensiv um sie. Demgegenüber mussten die Kontakte zwischen den Kindern und ihrem Vater aus Gründen in dessen Verantwortungsbereich mit Gerichtsbeschluss ausgesetzt werden. Mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zahlt der Vater für die Kinder keinen Unterhalt. Als der Ehemann der Mutter die Kinder adoptieren will, lehnte der Vater die gemäß § 195 Abs. 1 Z 1 ABGB dafür grundsätzlich notwendige Einwilligung ab. Der Antrag, die verweigerte Zustimmung gerichtlich zu ersetzen, wurde in allen Instanzen abgewiesen: Maßstab für die Ausübung der gerichtlichen Ersetzungsbefugnis ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht die Kindeswohldienlichkeit einer Adoption, sondern die Beurteilung, ob die Adoption für das Kind „geradezu notwendig“ ist.

Aus der OGH-Entscheidung:

Ob eine Adoption dem Wohl des Kindes dient und ob die verweigerte Zustimmung gemäß § 195 Abs. 3 ABGB zu ersetzen ist, weil kein gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliegt, hat das Gericht aufgrund der Verfahrensergebnisse nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (RS0086536).

Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage, was unter dem Ausdruck „gerechtfertigte Gründe“ in § 195 Abs. 3 ABGB zu verstehen ist, lassen sich dahin zusammenfassen, dass die gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen sollen, dass keine Adoption gegen die wohlbegründete Meinung der Person zustande kommt, die durch die Adoption in ihren Rechten tiefgreifend betroffen wird. Dem Kindeswohl entsprechende, in der Familie des Annehmenden bestehende bessere, der Entwicklung des Kindes förderliche Lebensverhältnisse sind nicht der alleinige oder auch nur überwiegende Gesichtspunkt, die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt anzusehen (RS0048798 [T4]). Im Zweifel ist die Weigerung als gerechtfertigt zu betrachten (RS0008581 [T5]). Der bloße Wunsch des leiblichen Elternteils um Kontakte und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut gerechtfertigter Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein (2 Ob 239/09z mwN; RS0048903 [T2, T3]); die Interessen des Kindes an der Adoption müssen eindeutig dominieren (4 Ob 149/10f mwN). (…)

Die Vorinstanzen sind zum Schluss gekommen, dass der Vater, dessen Aufenthaltsbewilligung nach dem Akteninhalt jährlich verlängert wird und der nach dem Inhalt des seinen Asylantrag abweisenden Bescheids des Bundesasylamts liberianischer Staatsangehöriger ist, weiterhin Interesse daran zeigt, seine Kinder zu sehen, auch wenn das Kontaktrecht zwischen ihm und den Kindern mit Beschluss seit 2019 bis auf weiteres ausgesetzt ist, weil er es nicht geschafft hatte, die Kontakte verlässlich einzuhalten; er sagte immer wieder kurzfristig Termine ab, was mit großer Enttäuschung für die Kinder verbunden war. Trotz seiner Haftstrafen – zuletzt befand sich der Vater im April 2013 in Strafhaft, ein Jahr vor Scheidung der Ehe mit der Mutter der gemeinsamen Kinder – bestehe zwischen ihm und den Kindern eine Eltern-Kind-Beziehung. Die durchgeführten begleiteten Kontakte seien durchaus positiv verlaufen. Dass der Vater in weiterer Folge die begleiteten Kontakte nicht kontinuierlich ausgeübt habe, sodass diese letztlich ausgesetzt hätten werden müssen, reiche für die Annahme einer fehlenden sittlichen Rechtfertigung seiner Weigerung nicht aus, zumal dafür auch kulturelle und wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt haben könnten. Zudem verliere der leibliche Vater bei Ersetzung seiner Zustimmung und pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung des Adoptionsvertrags endgültig seine Aufenthaltsberechtigung in Österreich und würde nach Liberia abgeschoben werden. Damit würde der mittlerweile ohnehin kaum mehr „vorhandene Faden“ zwischen den Kindern und ihm „gänzlich abreißen“. Die Kinder werden sich in den kommenden Jahren mit ihrer Herkunft und auch der ihres Vaters beschäftigen; ihnen wäre im Falle einer Abschiebung nach Afrika faktisch jede Möglichkeit (einer Auseinandersetzung) entzogen.

Dass die Vorinstanzen auf Basis der zum Entscheidungszeitpunkt des Erstgerichts gegebenen Sachlage von gerechtfertigten Gründen der Weigerung des leiblichen Vaters, der Adoption zuzustimmen, ausgingen, bildet keine klare Fehlbeurteilung oder Ermessensüberschreitung, die vom OGH aufzugreifen wäre.

Der Vater leistet(e) mangels finanzieller Möglichkeiten trotz „gelegentlicher Jobs“ bislang keinen Unterhalt für die Kinder, die Unterhaltsvorschüsse beziehen. Wenn der Adoptionswerber daraus unter Behauptung einer „grundsätzlichen Leistungsfähigkeit“ eine gröbliche Verletzung der Unterhaltsverpflichtung und damit das Fehlen eines gerechtfertigten Grundes für die Weigerung des Vaters ableiten möchte, ist er darauf hinzuweisen, dass zwar eine schuldhafte Pflichtverletzung des Elternteils gegenüber dem Kind (bei der Pflege und Erziehung oder der Unterhaltsgewährung), wodurch das Kindeswohl gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, im Regelfall die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt erscheinen ließe (2 Ob 239/09z mwN). Wenn das Rekursgericht aber aufgrund der befristeten Aufenthaltstitel des Vaters und mangels finanzieller Möglichkeiten keine solche schuldhafte Pflichtverletzung gesehen hat, erscheint dies nicht korrekturbedürftig. (…) Das nunmehr ausgesetzte Kontaktrecht ist auf die Enttäuschung der Kinder infolge der Unzuverlässigkeit des Vaters bei seinen zuvor begleitet bewilligten Besuchskontakten zurückzuführen, zeigt aber nicht auf Dauer ein mangelndes Interesse am Kontakt zu seinen Kindern auf. Seine strafgerichtlichen Verurteilungen liegen jedenfalls schon acht Jahre zurück, ohne dass die Vater-Kind-Beziehungen darunter gelitten haben.

Die Kinder leben gemeinsam mit der Mutter im Familienverband mit dem Adoptionswerber und entwickelten zu diesem eine enge emotionale Bindung. Auch der Adoptionswerber (seit 2015 Ehemann der Mutter) entwickelte entsprechende Gefühle und betreut die Kinder auch intensiv. Wenn er betont, der leibliche Vater bleibe nach der Adoption weiterhin der biologische Vater, so ist auch er nicht daran gehindert, selbst ohne Adoption weiterhin eine liebevolle Beziehung zu den in seinen Familienverband integrierten und seinen Familiennamen tragenden Kindern zu unterhalten (2 Ob 239/09z). Dem Adoptionswerber ist zwar zuzugestehen, dass er eine gute Beziehung zu den Kindern hat und der leibliche Vater nicht dem Idealbild eines pflichtbewussten, rechtschaffenen Elternteils entspricht, doch ist die Annahme, dass es die derzeitigen Umstände noch nicht rechtfertigen, von dessen ungerechtfertigter Weigerung auszugehen, nicht korrekturbedürftig.

OGH 21.12.2020, 1 Ob 225/20z