Der Mann sperrte die Frau für einen (nicht genauer feststellbaren) Zeitraum zwischen 10 Minuten und eineinhalb Stunden ein und äußerte seine Haltung, dass man kaputtmachen sollte, was einen kaputtmacht. Im Verfahren über die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung nach den §§ 382b, 382e EO qualifizierte das Erstgericht seine Aussagen als „milieubedingte Unmutsäußerungen“ und wies den Sicherungsantrag der Frau ab. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Einsperren der Frau nur „einmalig“ gewesen sei und die Motivation des Mannes, eine Weiterführung des Streits mit möglicher Eskalation zu vermeiden, berücksichtigt werden müsse. Der OGH korrigierte diese doch erstaunlichen Rechtsauffassungen der Vorinstanzen mit gebotener Deutlichkeit und änderte ihre Entscheidungen dahin ab, dass dem Mann für die Dauer von sechs Monaten das Verlassen der Wohnung samt unmittelbarer Umgebung aufgetragen, die Rückkehr dorthin verboten und die Vermeidung des Zusammentreffens mit der Frau auferlegt wurde.

 

Aus der OGH-Entscheidung:

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind seit 2000 verheiratet. Sie wohnen gemeinsam am landwirtschaftlichen Anwesen (Haus Nr. 39), wobei zum landwirtschaftlichen Betrieb auch das Haus Nr. 38, gehört, welches hauptsächlich als Wirtschaftsgebäude genutzt wird.

Am 26.12.2019 war vereinbart, dass der Antragsgegner sich um das Mittagessen kümmere. Er erschien jedoch mit ca. zweistündiger Verspätung, weswegen es zwischen den Parteien zum Streit kam. Der Antragsgegner hatte das Gefühl, dass sich die Antragstellerin derzeit in einer „manischen Phase“ befinde. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sperrte der Antragsgegner die Antragstellerin für einen Zeitraum zwischen 10 Minuten und eineinhalb Stunden (Genaueres steht nicht fest) in die im Erdgeschoß gelegene und mit vergitterten Fenstern versehene Bauernstube des gemeinsamen Wohnhauses ein. Der Antragsgegner verließ, nachdem er die Antragstellerin wieder freigelassen hat, das Wohnhaus, um seiner Arbeit nachzugehen. (…)

Zwischen den Parteien kam es immer wieder zu Streitigkeiten, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner sich wie ein Leibeigener behandelt fühlte, weil ein Großteil der auf der Liegenschaft anfallenden Arbeiten von ihm erledigt wird. (…) Im Zuge von Auseinandersetzungen sagte der Antragsgegner zur Antragstellerin, „dass man kaputt machen soll, was einen kaputt macht“ und dass sie noch sehen werde, was sie davon habe. Die Antragstellerin hat sich an den Umgangston des Antragsgegners mit ihr gewöhnt. Es steht nicht fest, ob sie diese Aussagen als bedrohlich empfunden hat. Der Antragsgegner wurde gegenüber der Antragstellerin bislang noch nie gewalttätig und hat diese auch noch nie gefährlich mit einer Waffe bedroht.

Die Antragstellerin begehrte die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß §§ 382b, 382e EO, mit welcher über den Antragsgegner ein Aufenthalts- und Rückkehrverbot hinsichtlich der Ehewohnung für die Dauer von sechs Monaten sowie ein Aufenthaltsverbot auf der gemeinsamen Land- und Forstwirtschaft und ein Kontaktaufnahmeverbot für die Dauer eines Jahres verhängt werden sollte. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung der Sicherungsanträge, weil diese nach den Geschehnissen nicht gerechtfertigt seien und seine Interessen schwerwiegend beeinträchtigen würden.

Nach § 382b Abs. 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf deren Antrag 1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und 2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient. Nach § 382e Abs. 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag, 1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten, 2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden und 3. zu verbieten, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern, soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen. Bei Gewalt in der Wohnung steht es der gefährdeten Person frei, ob sie den Gewaltschutz nach § 382b EO (mit Nachweis des dringenden Wohnbedürfnisses) oder nach § 382e EO (mit Interessenabwägung) geltend machen will (RS0127363).

Als Verfügungsgrund genügt bereits eine einmalige und ihrer Art nach nicht völlig unbedeutende tätliche Entgleisung, weil das persönliche Recht auf Wahrung der körperlichen Integrität absolut wirkt (RS0110446 [T5, T17]). Die Gründe für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens sind verschuldensunabhängig; es kommt nicht auf das Unrechtsbewusstsein oder die Absichten des Antragsgegners an (RS0110446 [T13]).

Der Entzug der persönlichen Freiheit durch das Einsperren einer Person über einen Zeitraum von zumindest 10 Minuten ist eine massive und nicht tolerierbare Verletzung der persönlichen Integrität, die tatbestandsmäßig nach §§ 382b Abs. 1, 382e Abs. 1 EO ist. Die angebliche Absicht des Antragsgegners, er habe mit dem Einsperren der Antragstellerin eine weitere Eskalation vermeiden wollen, wäre – ohne persönlichen Übergriff – leicht dadurch erreichbar gewesen, dass er den Ort des Streits verlässt, und rechtfertigt daher sein Vorgehen in keiner Weise. Eine Einwilligung der Antragstellerin dazu steht nicht fest, sodass schon dieses Verhalten des Antragsgegners als Verfügungsgrund ausreicht.

Die Äußerungen des Antragsgegners,dass man kaputt machen soll, was einen kaputt macht,und die Antragstellerin werde noch sehen, was sie davon habe, sind überdies ebenfalls nach den §§ 382b Abs. 1, 382e Abs. 1 EO einschlägige Drohungen, die jedenfalls bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens maßgeblich sind. Darauf, ob diese von der Antragstellerin als bedrohlich erkannt und gesondert einen Verfügungsgrund darstellen würden, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

Das dringende Wohnbedürfnis der Antragstellerin an der genannten Wohnung wird vom Antragsgegner nicht bezweifelt. Damit sind die Voraussetzungen für die Bewilligung der EV nach § 382b Abs. 1 Z 1 und 2 EO erfüllt.

Die schwerwiegenden Interessen des Antragsgegners, die einer EV nach § 382e Abs. 1 EO entgegen stehen, liegen (nur) insoweit vor, als dieser sein Einkommen aus der Bewirtschaftung der Landwirtschaft bezieht. Dieses Interesse bleibt dadurch gewahrt, dass dem Antragsgegner nur aufgetragen wird, ein (persönliches) Zusammentreffen mit der Antragstellerin zu vermeiden. Demgegenüber bleiben andere Kontaktmöglichkeiten, die zur Abstimmung bei der Bewirtschaftung der Landwirtschaft geboten sind, sowie der Aufenthalt am Anwesen – unter Ausschluss der Ehewohnung – bei der derzeit bescheinigten Gefährdungslage zulässig, wobei zur Deeskalation auch für den Auftrag nach § 382e Abs. 1 Z 2 EO mit einer Verfügungsfrist von sechs Monaten zur Zeit das Auslangen gefunden werden kann.

OGH 26.6.2020, 7 Ob 87/20z