Der Mann beantragte die Aufhebung der 2009 geschlossenen Ehe mit der Begründung, dass er die Frau nicht geheiratet hätte, wenn sie ihm mitgeteilt hätte, dass sie in der Nähe zur Eheschließung eine Beziehung mit einem anderen Mann führte. Außerdem komme der andere Mann als Vater des Sohnes aus der Ehe in Betracht. Die Frau beantragte eine Entscheidung über ihren Zwischenantrag auf Feststellung (§ 236 Abs. 1 ZPO): das Gericht solle aussprechen, dass sie ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung vor der Ehe gehabt habe. Außerdem seien die gesetzlichen Eheaufhebungsgründe, die ein Verhalten vor der Eheschließung zum Gegenstand haben, verfassungswidrig. Alle drei Instanzen gelangten zum Ergebnis, dass eine verfahrensrechtliche Auskoppelung dieser Rechtsfragen nicht zulässig und ein eigenständiges Verfahren über einen solchen Zwischenantrag daher nicht möglich ist.

Der Kläger begehrt die Aufhebung und hilfsweise die Scheidung der im Jahr 2009 mit der Beklagten geschlossenen Ehe. Die Beklagte habe vor der Eheschließung angegeben, sie liebe nur ihn und führe keine Beziehung zu einem anderen Mann. Hätte sie dem Kläger berichtet, dass sie in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Eheschließung noch eine Beziehung mit einem anderen Mann geführt habe, mit diesem sogar zeitweise verlobt gewesen sei und in dem für die Empfängnis des gemeinsamen Sohnes in Betracht kommenden Zeitraum noch mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe, hätte er die Ehe mit ihr nicht geschlossen.

Die Beklagte beantragte eine Abweisung der Klage und stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass ihr in einem näher bestimmten Zeitraum vor der Eheschließung a) das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Freiheit der Wahl ihrer Intimpartner, in eventu das Recht auf Ausübung von Beziehungen sexueller Art zu anderen Menschen, in eventu das Recht auf Ausübung eines Sexuallebens als Ausdruck ihrer Individualität, in eventu das Recht auf private Entfaltungsmöglichkeit in sexueller Hinsicht zugekommen sei, und b) das Recht auf Wahrung ihrer Verschwiegenheitspflicht über die ihre vorehelichen Intimpartner betreffenden personenbezogenen Daten und das Recht der Verweigerung der Auskunft über die ihre vorehelichen Intimpartner betreffenden personenbezogenen Daten, in eventu auf Wahrung ihrer Verschwiegenheitspflicht über die ihre vorehelichen Intimpartner betreffenden personenbezogenen Daten, in eventu auf Verweigerung der Auskunft über die ihre vorehelichen Intimpartner betreffenden personenbezogenen Daten zukomme. (…)

Das Erstgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung mangels Vorliegens der formellen Voraussetzungen zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten zurück, weil dieser keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs. 1 ZPO aufzeigte.

Aus der OGH-Entscheidung:

1. Der Zwischenantrag auf Feststellung ist ein vom Kläger (§ 236 Abs. 1 ZPO) oder Beklagten (§ 259 Abs. 2 ZPO) während eines anhängigen Rechtsstreits gestellter Antrag mit dem Begehren, mit Urteil über den Bestand oder Nichtbestand eines für die Entscheidung über das Klagebegehren oder ein Gegenrecht präjudizielles, in seiner Bedeutung über den konkreten Rechtsstreit hinausgehenden Rechts oder Rechtsverhältnisses abzusprechen; dies führt zur Verselbständigung der Vorfrage, sodass diese nicht bloß in den Gründen beurteilt, sondern im Spruch des Urteils und daher mit bindender Wirkung entschieden wird. (…) Ein Zwischenantrag des Klägers verfolgt daher den Zweck, Vorfragen für den Klageanspruch über den Rahmen des konkreten Rechtsstreits hinaus mit Rechtskraftwirkung festzustellen. (…) Gegenstand der Feststellung kann nur ein Recht oder Rechtsverhältnis, nicht aber die Feststellung einer Tatsache sein (RS0039621[T2]; RS0039598).

2.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist, (…) dass das festzustellende Rechtsverhältnis oder Recht bestritten wurde, für die Entscheidung in der Hauptsache über das Hauptbegehren präjudiziell ist und in seiner Bedeutung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht. Diese Voraussetzungen sind von Amts wegen zu prüfen.

2.2. (…) Der Zwischenantrag auf Feststellung setzt einen prozessökonomischen Zweck voraus; daher können einzelne Rechtsfragen, die die Entscheidung über den Anspruch notwendigerweise in sich begreift, nicht Gegenstand eines Zwischenantrags auf Feststellung sein (RS0039695). Der Zwischenfeststellungsantrag dient also nicht dem Zweck, einzelne Rechtsfragen für sich herauszuheben und zum Gegenstand eines Urteils zu machen (RS0039615). (…)

3.1. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, dass hier die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Zwischenantrag auf Feststellung nicht vorliegen, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall. (…)

3.2. Die Beklagte begehrt mit den unterschiedlichen sprachlichen Varianten des ersten Hauptbegehrens und der zwei Eventualbegehren dazu im Kern die Feststellung, dass ihr (auch) bezogen auf einen konkreten Zeitraum das grundrechtlich geschützte Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zukommt. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist jedoch, dass dieser auf Feststellung eines im Lauf des Prozesses streitig gewordenen Rechtsverhältnisses oder Rechts gerichtet ist. (…)

Das von der Beklagten primär aus Art. 8 EMRK abgeleitete Recht auf sexuelle Selbstbestimmung kann daher nicht für sich allein herausgehoben und zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht werden, auch wenn der Kläger dieses im Grundsatz bestreiten sollte. (…) Damit zielt der Zwischenfeststellungsantrag aber (nur) auf die Lösung einer einzelnen Rechtsfrage und nicht auf die Feststellung eines Rechts im Sinne der Rechtsprechung zum Zwischenantrag auf Feststellung ab (vgl. 1 Ob 15/13g). (…)

Die Beklagte behauptet zwar eine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Wirkung der festzustellenden Rechte, weil diese Auswirkung auf weitere teils schon anhängige, teils angekündigte Verfahren (Scheidung, Unterhalt, Aufteilung, Rückforderung) habe. Dem hielt das Rekursgericht aber zutreffend entgegen, dass diese damit geltend gemachte präjudizielle Wirkung auf die genannten Verfahren nicht dem festzustellenden Selbstbestimmungsrecht, sondern der Entscheidung über die Eheaufhebungsklage zukommt.

3.3. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die von der Beklagten begehrte Feststellung der aus ihrem Geheimhaltungsinteresse an Informationen über ihr sexuelles Privatleben abgeleiteten und neben Art. 8 EMRK auch auf § 1 DSG und Art. 6 Abs. 1 EMRK gestützten Rechte auf Wahrung ihrer Verschwiegenheitspflicht und Verweigerung der Auskunft. Auch insofern gilt, dass die ohnehin geregelte objektive Rechtslage und die Vereinbarkeit abstrakter Verfahrensbestimmungen (§§ 380f, 460 Z 1 ZPO) mit den Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht feststellungsfähig ist und der Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten damit (nur) auf die Lösung einer einzelnen (Verfahrens-)Rechtsfrage abzielt, die nicht herausgegriffen und zum Gegenstand der Entscheidung gemacht werden kann (…). (…)

OGH 9.6.2022, 5 Ob 212/21v