Zwischen den mitobsorgeberechtigten Eltern – deren Ehe vor Jahren geschieden wurde – ist ein Verfahren über die Obsorge für die drei Kinder, die hauptsächliche Betreuung und das Kontaktrecht anhängig. Nachdem das Gericht den überwiegenden Aufenthalt der Kinder beim Vater anordnete und der Mutter begleitete Kontakte einräumte, veröffentlichte die Mutter auf ihrem Facebook-Account ein Posting mit Einzelheiten aus dem Familienleben und massiven Vorwürfen und Unterstellungen gegen den Vater und seine Eltern. Zahlreiche Nutzer griffen daraufhin in Kommentaren den Vater und seine Familie an.

Der Vater, seine Eltern und die Kinder beantragten, der Mutter mittels Einstweiliger Verfügung gemäß § 382g (Abs. 1) Z 7 EO (nunmehr: § 382d EO in der Fassung der Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx, BGBl I 2021/86) zu verbieten, Tatsachen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich, vor allem Umstände, die Gegenstand des Pflegschaftsverfahrens seien, via Facebook zu verbreiten, und ihr aufzutragen, ihr Posting und die dazu veröffentlichten Kommentare, in denen die Antragsteller genannt würden, zu löschen. Das für jeden Facebook-Nutzer einsehbare Posting der Mutter greife massiv in die Privatsphäre der Antragsteller ein. Durch ihre Angaben zum anhängigen Pflegschaftsverfahren und die falsche Darstellung des Sachverständigengutachtens mache die Mutter Details aus dem Familienleben öffentlich, die nur einem eingeschränkten Kreis von Familienangehörigen zugänglich seien. Der Ruf der Familie werde durch das Posting geschädigt, die Anschuldigungen seien teilweise ehrverletzend.

Die Mutter wandte ein, dass der Vater ihre Kontakte zu den Kindern verhindere, und berief sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Das Erstgericht erließ die EV antragsgemäß für die Dauer eines Jahres. Der Text und die Kommentare würden dem Vater (Erstantragsteller) und dessen Eltern (Fünft- und Sechstantragsteller) vorwerfen, die Kinder bewusst von der Mutter (Antragsgegnerin) fernzuhalten und zu entfremden. Die Vorwürfe gegenüber dem Erst-, der Fünft- und dem Sechstantragsteller seien ehrverletzend. Sämtliche Antragsteller, auch die Kinder, hätten ein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Umstände nicht einer unbeschränkten Öffentlichkeit, wozu auch ihre Freunde und Schulkameraden zählten, bekannt würden. Die Durchsetzung von Obsorge- und Kontaktrechten habe durch Gerichtsverfahren zu erfolgen und nicht dadurch, dass versucht werde, die öffentliche Meinung für den eigenen Standpunkt zu gewinnen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Mutter nicht Folge.

Der OGH bestätigte diese Entscheidungen.

Aus der OGH-Entscheidung:

1. Da der Antrag vor dem 1.7.2021 beim Erstgericht einlangte, sind weiterhin die Bestimmungen in der Fassung vor der Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) und damit auch § 382g EO in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl I 2019/105, anzuwenden (vgl. § 502 Abs. 7 EO).

Die sogenannte „Stalking“-EV nach § 382g EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre enthält in Abs. 1 einen demonstrativen Katalog der Mittel, mit denen der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre gesichert werden kann. Die Antragsteller stützen ihren Antrag speziell auf § 382g Abs. 1 Z 7 EO. Diese Bestimmung nennt als Sicherungsmittel das „Verbot, insbesondere im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems, Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs oder Verletzungen der Ehre oder Privatsphäre der gefährdeten Partei ohne ihre Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar zu machen oder zu halten“.

2. § 382g Abs. 1 Z 7 (nach der GREx, BGBl I 2021/86: § 382d Z 7 EO) soll – in Ergänzung der Z 4 zum Verbot der Weitergabe und Verbreitung von personenbezogenen Daten und Lichtbildern der gefährdeten Partei – einen wirksamen Behelf auch gegen sog. „Cybermobbing“ bieten. Mit dieser Bestimmungsind insbesondere die Verbreitung „im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems“, zum Beispiel über soziale Medien im Internet, aber auch die „herkömmliche“ Verbreitung, etwa über Plakate, erfasst (Initiativantrag 970/A 26. GP, 45; Pesendorfer, Das Gewaltschutzgesetz 2019 – Änderungen bei den einstweiligen Verfügungen, iFamZ 2019, 367 [370]). (…)

Neben dem Wahrnehmbarmachen (Verbreiten) soll ausdrücklich auch das Wahrnehmbarhalten verboten werden können. Damit kann der Antragsgegner etwa auch dazu verhalten werden, bestimmte digitale Inhalte insbesondere aus dem Internet zu entfernen (Löschung). Dies setzt selbstverständlich voraus, dass ihm die Entfernung oder deren Veranlassung möglich ist (…). Dem Antragsgegner kann daher ein aktives Tun auferlegt werden, nämlich dafür zu sorgen, dass die Verletzungen wieder beseitigt werden. Das kann etwa durch Löschen von Bildern oder Beiträgen auf einer Seite eines sozialen Mediums geschehen, aber auch durch die Entfernung von Plakaten oder Teilen davon (…).

3. Unter „im Wege der Telekommunikation“ in § 382g Abs. 1 Z 7 EO ist der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten aller Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels dazu dienendertechnischer Einrichtungen zu verstehen (…). Erfasst sind insbesondere E-Mails, SMS und Anrufe, aber auch MMS, instant messages, Postings, die Platzierung von Nachrichten und Bildern auf Internetseiten oder Internetplattformen aller Art und die Verbreitung über soziale Netzwerke (Pesendorfer aaO 371).

Der höchstpersönliche Lebensbereich deckt sich mit dem Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK und erfasst etwa das Sexualleben, den sensiblen Bereich des Familienlebens, Krankheiten, Behinderungen und religiöse Ansichten (Pesendorfer aaO 371). Eine Verletzung an der Ehre ist jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt. Gemeint ist auch in diesem Anwendungsbereich nicht das subjektive „Ehrgefühl“ im Sinn einer größeren oder geringeren Selbstachtung, sondern die Ehre eines Menschen in ihrer objektiven Bedeutung. Der Begriff der Privatsphäre betrifft den persönlichen Lebensbereich eines Menschen, der üblicherweise nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (RS0125721). (…)

Unter einer größeren Zahl von Menschen sind etwa 10 Menschen zu verstehen (ErläutRV 689 BlgNR 25. GP, 20 [zu § 107c StGB; Strafrechtsänderungsgesetz 2015]; Pesendorfer aaO 371).

4.1. Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO ist nur die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer „Stalking“-Handlungen oder anderer unzulässiger Eingriffe in die Privatsphäre. Mit der Anspruchsbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt (RS0121887).

4.2. Im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen leitete die Rechtsprechung aus § 16 ABGB Feststellungsansprüche sowie Abwehransprüche ab, nämlich Unterlassungsansprüche, die bei bereits erfolgtem Verstoß auch Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche umfassen (RS0008994 [T4]; 7 Ob 81/16m mwN). § 20 Abs. 1 Satz 1 ABGB idF Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz, BGBl I 2020/148, normiert nunmehr ausdrücklich den bisher schon in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung (dazu ErläutRV 481 BlgNR 27. GP, 7). Der Anspruch auf Unterlassung umfasst nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ABGB auch den Anspruch auf Beseitigung eines der Unterlassungsverpflichtung widerstreitenden Zustands. (…) Wenn sich das widerrechtliche Verhalten des Störers nicht in einer vorübergehenden, abgeschlossenen Handlung erschöpft, sondern einen Dauerzustand herbeigeführt hat, umfasst der Anspruch auf Unterlassung jedenfalls auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu verlangen, soweit ihm die Verfügung hierüber zusteht (RS0079560 [T1]). (…)

6.1. (…) Der höchstpersönliche Lebensbereich stellt den Kernbereich der geschützten Privatsphäre dar und ist daher einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Dieser höchstpersönliche Kernbereich ist nicht immer eindeutig abgrenzbar, es ist aber davon auszugehen, dass jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie dazugehören (RS0008990 [T11]; RS0122148). Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen; es bedarf vielmehr einer Wertung, bei welcher dem Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen (RS0008990; so auch ErläutRV 481 BlgNR 27. GP, 7). Bei Verletzung fremder absolut geschützter Rechte ist schon nach allgemeinen Grundsätzen das Rechtswidrigkeitsurteil nur aufgrund umfassender Interessenabwägung zu finden (RS0022917).

6.2. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Facebook-Posting private Details des Familienlebens der Antragsteller bekanntgegeben sowie – trotz Kenntnis – gehässige Kommentare gegen diese geduldet und damit in deren geschützte Privatsphäre eingegriffen.

Dass die Antragsgegnerin in ihrem Posting die Namen der Antragsteller nicht genannt hat, ist unerheblich, weil diese schon aufgrund der Namensgleichheit auch ohne Anführung der Familiennamen identifiziert werden konnten (vgl. RS0008998 [T2]). Die leichte Identifizierbarkeit ist auch aus den konkret auf den Erstantragsteller und die antragstellenden Großeltern Bezug nehmenden Kommentaren der Facebook-Nutzer ersichtlich.

Im vorliegenden Fall sind das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller auf Achtung ihrer Privatsphäre und des Familienlebens (vgl. Art. 8 EMRK) und das Recht der Antragsgegnerin auf freie Meinungsäußerung berührt (Art. 10 EMRK). Wenn die Antragsgegnerin meint, ihr Posting diene dem öffentlichen Informationsinteresse, weil sie aufzeige, dass das mangelhaft geführte Pflegschaftsverfahren die Rechtsprechung zur Einschränkung des Kontaktrechts missachte und durch das Pflegschaftsverfahren sowie die negative Beeinflussung der Kinder deren Kindeswohl gefährdet werde, so zeigt sie damit keinen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse auf, geht es ihr doch ausschließlich darum, negative Stimmung gegen die Antragsteller und das Pflegschaftsgericht zu machen. Dass ihr diese negative und beleidigende Stimmungsmache geglückt ist, zeigen nicht zuletzt die als Reaktion auf ihre Mitteilung in den Kommentaren enthaltenen Äußerungen, in denen konkret der Erst-, die Fünft- und der Sechstantragsteller angegriffen und teilweise auch beleidigt werden. Dass sie mit der Veröffentlichung bezwecke, die Kinder vor einer Kindeswohlgefährdung zu schützen, ist nicht nachvollziehbar und kann mit dem Posting gerade nicht erreicht werden. Sie legt auch nicht dar, warum ihr Posting geeignet sein sollte, ihre Obsorge- und Kontaktrechte durchzusetzen. Dies kann nur im Rahmen der dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren geschehen. Damit überwiegt aber eindeutig das Interesse der Antragsteller am Schutz ihrer Privatsphäre das behauptete Interesse der Antragsgegnerin an der freien Meinungsäußerung.

6.3. Da die Antragsgegnerin durch ihr nach wie vor veröffentlichtes Posting in die Persönlichkeitsrechte der Antragsteller eingreift und auch die ihr zumutbare Löschung der beleidigenden Kommentare nicht veranlasst, ist die Wiederholungsgefahr, die durch ihre WhatsApp-Nachricht vom 28.5.2021 noch verstärkt wird, jedenfalls gegeben. Sie beharrt auch im Prozess darauf, zur Veröffentlichung des Postings berechtigt zu sein. Mit der Behauptung, mit der WhatsApp-Nachricht habe sie gemeint, sie werde eines Tages möglicherweise ein Buch über ihre Erlebnisse schreiben, vermag sie jedenfalls die Wiederholungsgefahr nicht zu entkräften.

6.4. Damit sind sowohl die Sicherung des Unterlassungsbegehrens als auch des Löschungsbegehrens mit den Mitteln gemäß § 382g Abs. 1 Z 7 EO berechtigt.

OGH 15.12.2021, 7 Ob 197/21b