Die Ehepartner sind seit mehr als 30 Jahren miteinander verheiratet, seit Jänner 2020 ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Die Ehewohnung befindet sich im Eigentum einer Privatstiftung. Der Mann behielt sich als Stifter das Widerrufsrecht vor, übte es auch bereits aus und verlangt von der Frau den Auszug aus der Ehewohnung. Die Vorinstanzen erließen gemäß einem Antrag der Frau eine Einstweilige Verfügung nach § 382h EO zur Sicherung ihres Wohnungserhaltungsanspruchs. Der OGH verbot dem Mann eine rechtsgeschäftliche Verfügung über die Ehewohnung, räumte der Frau zur klagsweisen Geltendmachung ihres Anspruchs eine Frist von drei Monaten ein und wies ihr Mehrbegehren, dem Mann zu untersagen, über die Wohnung durch Auflösung der Privatstiftung rechtsgeschäftlich zu verfügen und zu Gunsten der Frau ein Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch einzutragen, ab.

Aus der OGH-Entscheidung:

Nach der Stiftungsurkunde vom 19.7.1995 ist Zweck der Stiftung die Versorgung der Begünstigten, die einheitliche Erhaltung und Vermehrung des der Stiftung gewidmeten Vermögens und der Betrieb und die Erhaltung von Land- und Forstwirtschaften. Die Stiftung räumte dem Mann und der Frau die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und unentgeltlichen Fruchtgenusses an sämtlichen Liegenschaften ein. Der Mann änderte am 20.2.2002 die Stiftungsurkunde, sodass die Stiftung beiden Ehegatten die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnungsrechts an der Wohnung im Betriebsgebäude einräumt. Eine grundbücherliche Eintragung erfolgte nicht.

Der Mann widerrief mit Erklärung vom 26.5.2020 die Stiftung. (…) Nach der Stiftungsurkunde hat der Stiftungsvorstand im Falle des Widerrufs dafür Sorge zu tragen, dass die der Stiftung gewidmeten Vermögenswerte wieder in das uneingeschränkte Eigentum des Stifters übergehen.

Die Ehewohnung dient der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Frau. Zudem entspricht sie dem Wohnkomfort, der den ehelichen Verhältnissen vor Einbringung der Scheidungsklage entsprach. Der Mann lebt mit seiner Lebensgefährtin in einer Wohnung in S. Er kündigte bereits seit Wochen an, dass er mit seiner neuen Partnerin im Haus leben wolle und „besichtigte“ dieses sogar mit ihr. Er verlangte immer wieder, dass die Frau die Liegenschaft verlasse.

Der Anspruch nach § 97 ABGB setzt die Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten voraus. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat letzterer nach § 97 ABGB einen Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Der verfügungsberechtigte Ehegatte hat das Interesse des anderen an der Wohnungsnutzung so zu wahren, wie ein verständiger und vorsorglicher Benützer die eigenen Interessen wahren würde (RS0009534 [T4]). Er hat in Erfüllung seiner Beistandspflichten auch jede einseitige rechtliche oder tatsächliche Veränderung zu unterlassen, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten die Voraussetzungen der Wohnungsnutzung erschwert (RS0009534 [T3]). Es macht keinen Unterschied, ob er Eigentümer, Wohnungseigentümer, Mitglied einer Genossenschaft oder Mieter ist (RS0047318). Die Verfügungsbefugnis kann sich auch aus der Stellung in einer Gesellschaft ergeben (7 Ob 86/03b; 10 Ob 81/11a; 8 Ob 44/19g; RS0009553 [T5]). Die mittelbare Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten im Rahmen einer Gesellschaft, in der ihm (bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise) aufgrund seiner organschaftlichen Stellung ein beherrschender Einfluss zusteht, genügt für die Annahme einer Verfügungsberechtigung im Sinn des § 97 ABGB über die Wohnung, die im Eigentum der Gesellschaft steht (7 Ob 86/03b; 4 Ob 119/14z; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 97 ABGB Rz 12).

Zwar entsteht unbeschadet des Vorbehalts eines Widerrufs die Privatstiftung mit Eintragung im Firmenbuch (5 Ob 228/01t), das Prinzip der vollständigen Trennung der Stiftung vom Stifter wird aber aufgeweicht, wenn sich der Stifter das Recht der Änderung der Stiftungserklärung oder das Widerrufsrecht vorbehält (3 Ob 177/10s) und er das Zugriffsrecht auf das gewidmete Vermögen nicht verliert (6 Ob 106/03m). In Bezug auf Privatstiftungen ist daher das grundsätzlich bestehende Prinzip der vollständigen Trennung der Stiftung vom Stifter solange nicht verwirklicht, als sich der Stifter Änderungs- oder Widerrufsrechte vorbehält (6 Ob 49/07k; 6 Ob 61/04w).

Hier hat sich der Mann als Stifter das Widerrufsrecht vorbehalten (und auch bereits ausgeübt), in welchem Fall der Vorstand der Privatstiftung gemäß § 35 Abs. 2 Z 1 PSG deren Auflösung zu beschließen und nach der Stiftungsurkunde dafür zu sorgen hat, dass die Vermögenswerte der Stiftung – darunter auch die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet – dem Stifter als Letztbegünstigten zukommen. Es ist daher von einer wirtschaftlichen Identität im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung auszugehen.

Die aus § 97 ABGB abzuleitenden Ansprüche können gemäß § 382h EO gesichert werden. Diese Bestimmung umfasst sowohl Ansprüche eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses als auch Ansprüche, die aus der Verletzung dieses Wohnungserhaltungsanspruchs resultieren (2 Ob 140/10t mwN). Der Wohnungserhaltungsanspruch gemäß § 97 ABGB kann auch mit einer Maßnahme nach § 382 Z 6 EO (Veräußerungs- und Belastungsverbot) gesichert werden (2 Ob 140/10t).

Nach der Rechtsprechung des OGH kann zwar im Allgemeinen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot nach § 382 Abs. 1 Z 6 EO nur hinsichtlich einer Liegenschaft erlassen werden, bei der das Eigentumsrecht des Gegners der gefährdeten Partei einverleibt ist (RS0005143 [T3]). Hinsichtlich einer nicht im Eigentum des Gegners der gefährdeten Partei stehenden Liegenschaft kommt die Erlassung des Verbots nach § 382 Z 6 EO nicht in Frage, sondern nur ein Drittverbot nach § 382 Z 7 EO (RS0005094). Der Umstand, dass ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich einer Liegenschaft wegen des Grundbuchstands im Zeitpunkt der Erlassung nicht im Grundbuch eingetragen werden kann, steht aber der Erlassung des Verbots nicht grundsätzlich entgegen (8 Ob 40/71;RS0005056; vgl. RS0075152). Das Verbot kann ohne die beantragte bücherliche Eintragung erlassen werden, weil es geeignet ist, Rechtswirkungen – wenn auch nicht solche grundbuchsrechtlicher Art – hinsichtlich weiterer rechtsgeschäftlicher Verfügungen des damit Belasteten nach sich zu ziehen (8 Ob 40/71).

Da der Mann nicht Eigentümer der Liegenschaft ist, auf der sich die zu sichernde Wohnung befindet, sondern die in Liquidation befindliche Privatstiftung, sodass deren Liegenschaft mit der Ehewohnung in Kürze dem Mann zufallen wird, kann derzeit zwar das begehrte Veräußerungs- und Belastungsverbot erlassen werden, dessen grundbücherliche Eintragung aber nicht erfolgen. Daher war der Antrag insoweit abzuweisen.

In Bezug auf das beantragte Verfügungsverbot betreffend die Auflösung der Privatstiftung hat der Mann bereits vor dem hier zugrundeliegenden Antrag den ihm zukommenden Beitrag durch Erklärung des Widerrufs geleistet. Ein diesbezügliches Verbot ginge daher ins Leere. Da die Antragstellerin nicht dargelegt hat, welche konkreten weiteren, zu verbietenden Schritte dem Antragsgegner in diesem Zusammenhang aufgrund welcher Umstände noch möglich sein könnten, war das begehrte Verfügungsverbot in Bezug auf die Auflösung der Privatstiftung abzuweisen. Der vom Rekursgericht erwogene Antrag nach § 35 Abs. 3 PSG war nicht Gegenstand des erstgerichtlichen Antrags. (…)

OGH 2.11.2020, 7 Ob 159/20p