Im (recht kompliziert formulierten) Scheidungsvergleich aus 1988 verpflichtete sich der Mann zu Unterhaltszahlungen. Die Frau informierte ihn nicht über Einkommenserhöhungen, obwohl ihr bewusst war, dass ihr in den beiden letzten Jahren die Unterhaltszahlungen des Mannes nicht mehr zustanden. Führt die Verletzung der Mitteilungspflicht zur Unterhaltsverwirkung?
Aus der OGH-Entscheidung:
Die Unterhaltsverwirkung wegen nachträglicher schwerer Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten nach § 74 EheG setzt ein besonders gravierendes, das Maß schwerer Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG übersteigendes schuldhaftes Fehlverhalten gegenüber dem früheren Ehegatten voraus, sodass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung nicht mehr zumutbar ist. (…)
Die Entscheidung 3 Ob 209/99b betraf die Inanspruchnahme von Unterhaltsleistungen trotz aufrechter Lebensgemeinschaft. Dazu führte der OGH aus, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen sei, dass der Beklagten bewusst gewesen sei, dass sie zu Unrecht Unterhaltszahlungen entgegengenommen und sie die dadurch bewirkte Schädigung des Klägers zumindest in Kauf genommen habe. Auch wenn die Beklagte die Unterhaltsleistungen mit zumindest bedingtem Vorsatz in Anspruch genommen habe, sei dieser Umstand noch nicht derart gewichtig, dass er die Annahme der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs rechtfertigen könne.
Ausgehend von diesen Grundsätzen, wonach zu Unrecht bezogene Unterhaltsleistungen die Annahme des Verwirkungstatbestands in der Regel nicht rechtfertigen, ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verletzung der Informationspflicht der Beklagten ab dem Jahr 2007 keine derart besonders schwerwiegende Verfehlung bewirke, dass dem Kläger die Unterhaltsleistungen für alle Zukunft nicht mehr zumutbar seien, nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung der vereinbarten Grenzwerte aufgrund der Indexanpassung mit Schwellenwerten von jeweils 10 % für die Beklagte im Detail kaum überschaubar war. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten ist damit nicht eingetreten.
OGH 26.2.2019, 4 Ob 15/19p