Sehr geehrte Damen und Herren,

„wir kämpfen den Kampf unseres Lebens“, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Beginn der 27. Klimakonferenz im November 2022 offenkundig in der Hoffnung, die teilnehmenden Staaten aufrütteln und zu wirksamen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe bewegen zu können. Zwei Wochen später war klar: auch diese Konferenz endete ohne wesentliche Ergebnisse und ohne Grund zur Zuversicht, dass die nächsten 27 Klimagipfel mehr für die Rettung der Welt bringen würden. Junge Menschen aus der Klimaschutz-Bewegung wollen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nicht mehr hinnehmen. Sie versuchen mit neuen Formen von Protesten Druck auf die Regierenden aufzubauen und haben ihre Anliegen in den letzten Monaten mit wenig Geld und geringem Mobilisierungsaufwand in die breite Öffentlichkeit gebracht. Eine ihrer Hauptforderungen ist eine schnelle Verringerung der Treibhausemissionen des Straßenverkehrs durch Temporeduktion – eine gut umsetzbare, effiziente und überschaubare Maßnahme. Doch bei vielen Menschen scheint die Aufgebrachtheit über die Klimaaktivist:innen größer zu sein als die Empörung über jene, die die Klimakatastrophe vorantreiben. Dass sich allein in Österreich mittlerweile Dutzende von Wissenschaftler:innen mit den neuen Klimaprotesten solidarisierten, änderte verblüffend wenig daran.

Müssen Aktivist:innen und ihre Auftritte beliebt sein, um Erfolg zu haben? Allein am 1. März 1912 zerstörten 150 britische Frauenrechtlerinnen 270 Fenster in einem Einkaufsviertel in London. Die aktuellen Klimaproteste scheinen im Vergleich dazu sehr manierlich zu sein. Und die Behauptung, dass die Klimabewegung mit den gewählten Aktionen ihrem Anliegen schade? Weil Polarisierung schlechthin nachteilig ist? Gibt es dafür Belege oder genügen da schon gefühlte Wahrheiten? Und: Wären Terminals für Privatjets und Öl-Pipelines vielleicht bessere Ziele als Museen und Straßen im Frühverkehr? Nun ja, Terminals und Pipelines waren schon vor einigen Monaten blockiert, aber diese Proteste der Klimaschützer:innen interessierten nur sehr wenige. Die Klimabewegung ist ständig aktiv und drang dennoch in den Medien mit ihren Anliegen seit langer Zeit Immer schwerer durch – es sei denn, es geht um das Schutzglas vor einem Van Gogh oder um einen Stau.

In Österreich schaffte die Regierung bis heute kein Klimaschutzgesetz und kümmert sich nicht einmal mehr um eigene Zielsetzungen zum Klimaschutz, obwohl der Nationalrat bereits im September 2019 den Klimanotstand ausrief und von der Bundesregierung forderte, der Eindämmung der Klima- und Umweltkrise höchste Priorität zuzuerkennen. Vor einigen Tagen verteilten Vertreter:innen der Kanzlerpartei, allen voran die Staatssekretärin für Jugendangelegenheiten, in einer gegen Klimaaktivist:innen gerichteten und schlagzeilenverheißenden Unternehmung am verkehrsüberlasteten Wiener Schwarzenbergplatz Backwaren an Autofahrer:innen. Dass sie dabei sogar den falschen Stau zur falschen Zeit wählten, belegte den Dilettantismus ihres Tuns: die Aktion der Klimaschützer:innen fand am Naschmarkt und später statt.

Wir von Z!FF haben Mitte Dezember 2022 im Rahmen unserer Reihe ZiFF Spezial einen Beitrag veröffentlicht, den Dr. Florian Aigner, Physiker, Wissenschaftspublizist und ein herausragender Erklärer komplexer Zusammenhänge, zu den neuen Klimaprotesten verfasst hat. Sie finden diese wichtigen Ausführungen mit dem Titel „Ja wie denn sonst?“ nunmehr auch im Anschluss an diesen Text in unserem Blog.

Mit herzlichen Grüßen
Susanne Beck
Leiterin Z!FF

Florian Aigners Beitrag können Sie hier herunterladen.