Die Ehe der Streitteile wurde im Jahr 2015 im Einvernehmen gemäß § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Mann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von 66 € monatlich. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung betrug sein Nettoeinkommen in Altersteilzeit rund 1.400 € monatlich und die Alterspension der Frau ca. 839 € monatlich. Im Jahr 2018 erhielt der Mann aus Anlass seiner Pensionierung eine Abfertigung in Höhe von etwa 30.000 €. Seine statistische Lebenserwartung beträgt ca. 19 Jahre, beide Streitteile weisen einen schlechten Gesundheitszustand auf. In welcher Form ist die Abfertigung bei einer Neubemessung des Scheidungsunterhalts zu berücksichtigen? Vor allem: Auf welchen Zeitraum ist sie aufzuteilen?

Aus der OGH-Entscheidung:

Die Aufteilung der Abfertigung hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kann eine Aufteilung der Abfertigung auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht, ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder auf einen sonstigen längeren Zeitraum bis hin zu einem Zeitraum, der der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht (RS0047428 [T7]). Welcher Zeitraum dabei angemessen ist, richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls.

Gerade beträchtliche Einmalzahlungen dienen bei lebensnaher Betrachtungsweise dazu, auf einen längeren Zeitraum, entsprechend den gegebenen Umständen auch auf mehrere Jahre, Vorsorge für ein höheres Einkommen zu treffen (RS0047428). Anderes gilt in Fällen, in denen die Abfertigung als Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes dient (RS0009667).

Bezieht hingegen der Unterhaltspflichtige laufend eine höhere Pension, ist nicht anzunehmen, dass ein Bezieher solcher einmaliger Zahlungen diese kurzfristig verbraucht; vielmehr hätte er auf einen längeren Zeitraum Vorsorge für ein höheres Einkommen getroffen (vgl. RS0009667). Dabei kann für die Frage, ob eine Abfertigung eine „beträchtliche“ Höhe erreicht, nicht nur auf deren absolute Höhe abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr auch die Relation zu den Einkommensverhältnissen.

Im vorliegenden Fall erschiene es bei intakten Lebensverhältnissen geradezu ausgeschlossen, dass der Betrag von 30.000 € innerhalb eines Jahres verbraucht werden würde. In diesem Sinne hat der OGH in der Entscheidung 1 Ob 224/98t ausgesprochen, der Überbrückungscharakter einer Abfertigung trete auch dann in den Hintergrund, wenn der Unterhaltspflichtige zwar noch nicht das gesetzliche Pensionsalter erreicht habe, aber angesichts seines Alters und seines beruflichen Werdegangs sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei und mit einer neuerlichen Beschäftigung nicht mehr gerechnet werden könne. Auch in solchen Fällen sei die Abfertigung nicht auf so viele Monate, wie sie Monatsentgelten entspricht, sondern auf so viele Monate aufzuteilen, wie dies der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht.

Zuletzt hat der OGH für die gewissermaßen „umgekehrte“ Situation, dass der Unterhaltsberechtigte eine Abfertigung erhält, gleichfalls ausgesprochen, dass dann, wenn eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist, davon auszugehen sei, dass die Abfertigung nicht als Überbrückungsleistung, sondern dazu verwendet werde, den – ohnehin geringen – Lebensstandard in Ruhe zu sichern (7 Ob 169/19g).

OGH 22.10.2020, 6 Ob 188/20w