Wenn aufgrund des kindeswohlbelastenden Konfliktverhaltens der Eltern eine beiderseitige Obsorge nicht mehr in Betracht kommt, hat das Gericht zu entscheiden, welcher Elternteil zur Ausübung der Alleinobsorge besser geeignet ist. In diesem Zusammenhang wird häufig der Leitsatz betont, dass ein die Alleinobsorge anstrebender Elternteil die Kooperation und Kommunikation nicht schuldhaft verweigern oder erschweren darf, weil er es sonst in der Hand hätte, die Belassung bzw. Anordnung der beiderseitigen Obsorge einseitig zu verhindern. Die Anwendung dieser Judikaturlinie setzt allerdings voraus, dass das Verschulden am Ausbleiben der für die Ausübung einer gemeinsamen Obsorge erforderlichen Gesprächsbasis diesem Elternteil zugeordnet werden kann. Nach dem Sachverhalt aus einer OGH-Entscheidung vom November 2024 waren demgegenüber beide Eltern dafür verantwortlich, dass eine Kommunikation zwischen ihnen nicht gelingen konnte.
Nach den Feststellungen ist das Verhältnis der Eltern seit ihrer Trennung im Oktober 2019 hoch konfliktbehaftet. Zwischen ihnen besteht weder eine ausreichende Kommunikations- und Kooperationsbasis, noch wird es eine solche in absehbarer Zeit geben. Eine funktionierende Kommunikation zwischen ihnen ist – nach den Feststellungen – „praktisch unmöglich“.
Während bisher auch der Vater mit der Obsorge betraut war, wiesen die Vorinstanzen der Mutter die alleinige Obsorge zu und regelten das Kontaktrecht zwischen dem Vater und den Kindern. In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigte der Vater keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs. 1 AußStrG auf.
Aus der OGH-Entscheidung:
Seit dem KindNamRÄG 2013 soll die Obsorge beider Elternteile zwar (eher) der Regelfall sein (RS0128811 [T1]). Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Elternteile setzt aber ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen (RS0128812). Es ist notwendig, dass Erziehungs- und Betreuungsmaßnahmen besprochen werden, die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes möglichst übereinstimmend beurteilt werden und sich die darauf beziehenden Entscheidungen der Elternteile nicht regelmäßig widersprechen (RS0128812 [T25]). Zu beurteilen ist daher, ob eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RS0128812 [T2, T4]). Dies kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs. 1 AußStrG auf. Eine ausnahmsweise zur Wahrung des Kindeswohls aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt nicht vor.
Richtig ist zwar, dass ein die Alleinobsorge anstrebender Elternteil die Kooperation und Kommunikation nicht schuldhaft verweigern oder erschweren darf, weil er es sonst in der Hand hätte, die Belassung bzw. Anordnung der beiderseitigen Obsorge einseitig zu verhindern (RS0128812 [T11]). Dass das Verschulden für die fehlende Gesprächsbasis der Eltern – wie der Vater im Revisionsrekurs meint – primär der Mutter zukomme, ist den Feststellungen aber nicht zu entnehmen, vielmehr geht aus diesen eine diesbezügliche Verantwortlichkeit beider Elternteile hervor.
Dass die Mutter besser als der Vater geeignet ist, die alleinige Obsorge auszuüben, ist nach dem Akteninhalt jedenfalls vertretbar.
Dass sich die (noch unmündigen) Kinder für eine „gleichteilige Kontaktregelung“ aussprachen, stand entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers dem vom Erstgericht gefassten und vom Rekursgericht bestätigten Beschluss nicht entgegen. Der Wille eines Kindes stellt zwar für die Frage, wem die Obsorge zukommen soll, grundsätzlich ein relevantes Kriterium dar, allerdings ist der Wunsch des Kindes nicht allein entscheidend, wenn schwerwiegende Gründe dagegensprechen oder seiner Berücksichtigung das Wohl des Kindes entgegensteht (RS0048820 [T11, T12]).
OGH 27.11.2024, 3 Ob 186/24k