Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs von Kindern wird generell abgelehnt. Analog zu § 777 ABGB kann der Unterhaltsanspruch allerdings auf das notwendige Maß (anstelle eines angemessenen Unterhalts) reduziert werden, wenn das Kind eine Handlung begeht, die zum Verlust des Pflichtteils führen würde. Dies gilt aber nur für die Zukunft und nicht für Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor der Verwirkung. Im Verfahren, in dem sich der OGH in seiner Entscheidung vom September 2024 mit dieser Thematik befasste, machte die volljährige Tochter ausschließlich Unterhalt für Zeiträume geltend, die vor jenen Handlungen lagen, aus denen ihr Vater den Verlust ihres Unterhaltsanspruchs ableiten wollte. Eine Verringerung ihrer Zahlungsansprüche auf den notwendigen Unterhalt scheiterte daher schon aus diesem Grund.

Die Vorinstanzen sprachen der Antragstellerin, der erwachsenen Tochter des Antragsgegners, 28.807,30 € an rückständigem Unterhalt für die Zeit von 1.1.2016 bis 15.4.2020 zu, wobei sie das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschränkung der Antragstellerin auf den notdürftigen Unterhalt in Anwendung der §§ 777, 770 Z 4 ABGB (analog) in dieser Zeit verneinten. Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob bei einer Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts des Kindes auf das Maß des notdürftigen Unterhalts die Handlung des Kindes, die objektiv den Tatbestand der Entziehung des Pflichtteils nach § 770 Z 4 ABGB rechtfertigen würde, auch subjektiv vorwerfbar sein müsse, und wenn ja, in welchem Ausmaß.

Der OGH wies den Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

Aus der OGH-Entscheidung:

(…) Die vom Rekursgericht formulierte Zulassungsfrage stellt sich nicht, weil eine Beschränkung des Unterhalts der Antragstellerin in analoger Anwendung der §§ 777, 770 Z 4 ABGB (vgl. § 541 Z 2 ABGB) hier schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil sie rückständigen Unterhalt für die Vergangenheit – bis 15.4.2020 – begehrt, die ihr vom Antragsgegner angelasteten, zu seiner Strafverfolgung führenden Aussagen unstrittigerweise erst danach (ab September 2020) erfolgten.

Unterhaltsansprüche können grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden (RS0034969). Auch eine Änderung der Unterhaltsbemessung ist ebenso wie eine Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit dann möglich, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, wobei sich der hierfür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklicht haben muss (RS0053283; RS0034969 [T15]).

Der OGH judiziert zur Unterhaltsverwirkung (etwa nach § 74 EheG oder § 94 Abs. 2 Satz 2 ABGB) in ständiger Rechtsprechung, dass die Konsequenz der Verwirklichung von Verwirkungstatbeständen darin besteht, dass ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhalts gegeben sind, ein Unterhaltsanspruch für die Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden kann; die Verwirkung bezieht sich daher nur auf die Zukunft, nicht aber auf Rückstände aus der Zeit vor der Verwirkung (3 Ob 217/14d mit weiteren Nachweisen = RS0078153 [T7]).

Zwar kann der Unterhaltsanspruch von nicht selbsterhaltungsfähigen Kindern nach ständiger Rechtsprechung nicht verwirkt werden (RS0047642), es kann jedoch eine Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts eines Kindes auf das Maß des notdürftigen Unterhalts eintreten, wenn es eine Handlung begeht, die die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt (RS0047504). Auch eine solche Rechtsfolge kann sich nur auf nach dem Zeitpunkt dieser Handlung liegende Perioden beziehen, nicht jedoch auf Unterhaltsrückstände, die in der Zeit vor der Verwirklichung des Beschränkungstatbestands fällig geworden sind.

Hier macht die Antragstellerin unstrittig nur rückständigen Unterhalt für vor dem genannten Zeitpunkt liegende Perioden geltend, sodass eine Beschränkung dieses Unterhalts auf den notwendigen Unterhalt von vornherein nicht in Betracht kommt. (…)

OGH 26.9.2024, 8 Ob 72/24g