Aus Anlass ihrer Eheschließung im Jahr 1998 vereinbarten die Ehepartner, die österreichische Staatsbürger muslimischen Glaubens sind, eine sog. Morgengabe. Zu diesem Zeitpunkt gehörte eine solche Zahlung zu den in § 1217 ABGB in der damals geltenden Fassung ausdrücklich aufgezählten Ehepakten. Seit dem FamRÄG 2009 ist die Morgengabe in dieser Gesetzesbestimmung nicht mehr eigens als (formgebundener) Ehepakt genannt; dennoch war auf den Sachverhalt, der einer OGH-Entscheidung vom September 2024 zugrundelag, die alte Rechtslage anzuwenden. Mangels Einhaltung der Formpflicht nach § 1 Abs. 1 lit a Notariatsaktsgesetz kam die dort strittige Vereinbarung der Morgengabe nicht wirksam zustande, sodass die Klage auf Zahlung eines Kilogramms Gold bzw. eines Gegenwerts von ca. 54.000 € abgewiesen wurde. Mit der Frage, ob eine Braut- oder Morgengabe heute als familienrechtlicher Vertrag sui generis zu qualifizieren ist, musste sich der OGH in dieser Entscheidung nicht befassen.

Die Parteien schlossen am 25.3.1998 vor einem Standesamt in Wien die Ehe. Beide waren bereits damals österreichische Staatsbürger muslimischen Glaubens und in Wien wohnhaft.

Schon einige Wochen vor der Eheschließung waren die Parteien übereingekommen, dass der Beklagte der Klägerin als vorgezogene Brautgabe (arabisch: mahr) einen jordanischen Dinar sowie Brautschmuck bzw. Brautkleidung und als nachträgliche Brautgabe ein Kilogramm Gold leisten werde. Auch als er der Klägerin im Kreis ihrer Familie den Heiratsantrag machte und dabei die Familie fragte, welche Morgengabe man sich für die Braut wünsche, wurde diese Forderung von der Klägerin bzw. ihrer Familie erhoben; der Beklagte erklärte sich damit einverstanden.

Die Eheschließung nach islamischem Ritus – von der den Parteien bekannt war, dass sie das österreichische Recht nicht als (staatliche) Eheschließung anerkennt – erfolgte im Islamischen Zentrum in Wien am 28.3.1998 unter anderem im Beisein von zwei Zeugen sowie des Imams. In der dabei sowohl in deutscher als auch in arabischer Sprache niedergeschriebenen „Heiratsurkunde“ bestätigte der Imam unter anderem, „dass [der Beklagte] seinen Willen erklärt hat, [die Klägerin] zu heiraten. Seine zukünftige Brautgabe beträgt ein jordanisches Dinar und ein Kilo Gold als Nachzahlung“. Nicht schriftlich festgehalten wurde, wann die „Nachzahlung“ zu leisten wäre. Die Parteien trafen diesbezüglich auch keine mündliche Vereinbarung.

Die Klägerin hätte die Ehe mit dem Beklagten nicht geschlossen, wenn er die Leistung eines Kilogramms Gold nicht zugesichert hätte. Für sie war dies auch Bedingung für die standesamtliche Heirat.

Die Ehe der Streitteile wurde am 6.5.2022 vor dem Erstgericht rechtskräftig aus dem gleichteiligen Verschulden der Parteien geschieden. Die Scheidungsklage war von der Klägerin eingebracht worden, der Beklagte sprach sich nicht gegen die Scheidung aus. Nicht festgestellt werden konnte, wer außergerichtlich zuerst den Scheidungswunsch geäußert hatte.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten während des Scheidungsverfahrens die Nachzahlung von einem Kilogramm Gold. Der Beklagte hatte den in der vom Imam erstellten Heiratsurkunde erwähnten jordanischen Dinar sogleich bei der Eheschließung geleistet, hingegen übergab er der Klägerin das als Nachzahlung bezeichnete Gold nicht und zahlte auch nicht den entsprechenden Betrag. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Beklagte zum Zeitpunkt der Vereinbarung oder zu einem späteren Zeitpunkt über die finanziellen Mittel verfügte, um ein Kilogramm Gold an die Klägerin zu übergeben oder einen Betrag von 54.254,71 € – den Verkehrswert des Goldes zum Zeitpunkt der Klagseinbringung – an sie zu bezahlen.

Das Erstgericht wies die auf Leistung von einem Kilogramm Gold lautende und dem Beklagten eine Ersetzungsbefugnis in Gestalt einer Zahlung von 54.254,71 € einräumende Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass es zur Gültigkeit der Vereinbarung eines Notariatsakts bedurft hätte.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in eine Klagestattgebung ab. Sofern für das Verständnis dieses Urteils von Bedeutung verneinte es, dass eine der Notariatsaktspflicht unterliegende Morgengabe im Sinn der alten Vorschriften des ABGB vereinbart worden sei. Erstens sei die Morgengabe nach ABGB eine freiwillige Leistung des Mannes gewesen, während die hier vereinbarte Morgengabe islamischen Rechts Voraussetzung der Eheschließung sei und daher nicht aus Freiwilligkeit gegeben werde. Zweitens scheitere die Anwendung der Vorschrift des § 1232 ABGB aF daran, dass diese zwingend die Übergabe am ersten Morgen vorsehe, was hier gerade nicht vereinbart worden sei. Vielmehr stelle die hier vereinbarte Morgengabe eine Vereinbarung sui generis dar, die nach den Regeln des österreichischen Rechts formfrei und damit gültig zustandegekommen sei.

Der OGH gab der Revision des Beklagten Folge, stellte das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wieder her und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz.

 

Aus der OGH-Entscheidung:

2. Kollisionsrechtlich ist vorab festzuhalten, dass – anders als zu 1 Ob 213/18g und 5 Ob 73/24g – hier kein Sachverhalt mit Auslandsberührung im Sinn des § 1 IPRG vorliegt, weshalb der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht eröffnet ist. Beide Streitparteien waren und sind Österreicher und haben im Inland die staatliche und anschließend die – ihrem Glauben entsprechende – religiöse Ehe geschlossen. Dass letzteres nach den Regeln des Islams geschah, stellt – ebenso wenig wie etwa bei Katholiken, die nach der standesamtlichen Heirat nach den Regeln des römisch-katholischen Kirchenrechts die katholische Ehe eingehen – noch keine Auslandsberührung dar. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Streitteile hätten durch ihre islamische Eheschließung für die vereinbarte Brautgabe schlüssig islamisches Recht gewählt (§ 11 IPRG), scheitert bereits daran, dass der Sachverhalt für eine konkludente Rechtswahl keinen Anhaltspunkt bietet. (…) Erst recht ist keine ausdrückliche Rechtswahl im Sinne der ehegüterrechtlichen Kollisionsvorschrift des § 19 IPRG ersichtlich (…).

Zudem reicht grundsätzlich eine Rechtswahl- und oder Gerichtsstandsvereinbarung für die Herstellung der nach § 1 IPRG erforderlichen Auslandsberührung nicht aus (Verschraegen in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2023] § 11 IPRG Rz 3). Sofern das Berufungsgericht annimmt, es liege deshalb eine Auslandsberührung im Sinn des § 1 IPRG vor, weil nach den Feststellungen beide Streitteile „gemeinsam ein Haus in Palästina besitzen“, so überzeugt dies nicht, weil kein Konnex zwischen der 1998 vereinbarten Leistung von einen Kilogramm Gold zum genannten Liegenschaftsbesitz ersichtlich ist.

Es ist damit österreichisches Sachrecht anzuwenden.

3. Gemäß dem ersten Satz des § 1217 ABGB heißen „Ehepakte“ diejenigen Verträge, welche in Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden. Bis 31.12.2009 war als ein solcher Ehepakt in § 1217 ABGB ausdrücklich (auch) die „Morgengabe“ angeführt, die bis zu jenem Zeitpunkt zudem § 1232 ABGB aF besonders regelte. Satz 1 dieser Bestimmung definierte sie als „das Geschenk, welches der Mann seiner Gattin am ersten Morgen zu geben verspricht“. Satz 2 der Bestimmung stellte für den Fall, dass eine Morgengabe versprochen worden ist, im Zweifelsfall die Vermutung auf, „dass sie binnen den ersten drei Jahren der Ehe schon überreicht worden sei“.

Durch das FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) wurde § 1232 ABGB aufgehoben und – hier interessierend – die Morgengabe aus der Aufzählung der Ehepakte in § 1217 ABGB entfernt. Art 18 § 4 FamRÄG 2009 bestimmt jedoch, dass auf vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossene Ehepakte die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Zur Entscheidung des vorliegenden Falls ist damit weiterhin das ABGB in seiner bis 31. 12. 2009 geltenden Fassung anzuwenden (…).

4. Für die Zuwendung einer Morgengabe im Sinn des § 1232 ABGBaF besteht jedenfalls keine gesetzliche – und nach dem VwGH auch keine sittliche – Verpflichtung (VwGH 81/13/0120). Die Morgengabe nach § 1232 ABGB aF hat freiwilligen Charakter; sie findet nur statt, wenn sie versprochen (oder ohne vorangegangenes Versprechen tatsächlich geleistet) wurde (…).

Die Morgengabe des § 1232 ABGB aF kann nicht nur vom Ehemann, sondern auch bereits vom Bräutigam, somit vor der Eheschließung, versprochen werden (GlUNF 4143: „Verpflichtung des Mannes oder des Bräutigams“). Ob die Morgengabe am ersten Morgen oder zu irgendeiner anderen Zeit versprochen wird, hat – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nur für die Anwendbarkeit der Vermutung des § 1232 Satz 2 ABGB aF Bedeutung, berührt aber nicht ihr Wesen (…). Damit eine vermögensrechtliche Zuwendung als Morgengabe im Sinn des § 1232 ABGB aF angesehen werden kann, reicht es vielmehr aus, dass sie vom Mann der Frau entweder – wann auch immer – mit der ausdrücklichen Bezeichnung als „Morgengabe“ oder am ersten Morgen nach der Verehelichung gegeben oder versprochen wird (…).

Dass hier die Vereinbarung der Morgengabe bereits einige Wochen vor der standesamtlichen wie auch religiösen Verehelichung bzw. sodann abermals drei Tage nach der standesamtlichen Verehelichung abgeschlossen wurde, steht demnach ihrer Qualifikation als Morgengabe-Vereinbarung im Sinn des § 1232 ABGB aF nicht entgegen. Dass in der – sowohl in deutscher als auch arabischer Sprache verfassten – islamischen Heiratsurkunde die Bezeichnung „Brautgabe“ verwendet wurde, schadet nicht, handelt es sich dabei doch um ein bloßes Synonym des heute nicht mehr allgemein gebräuchlichen Begriffs „Morgengabe“ (…).

5. Aus welchem Grund sich der Mann dazu entschließt, der Frau eine Morgengabe zu geben bzw. zu versprechen bzw. die Frau auf das eine oder andere besteht, ist den hier noch anzuwendenden alten Vorschriften des ABGB gleichgültig. (…) Dass nach dem Koran (Sure 4 Vers 4: „Und gebt den Frauen ihre Morgengabe als Geschenk. Wenn sie für euch aber freiwillig auf etwas davon verzichten, dann verzehrt es als wohlbekömmlich und zuträglich.“) der Mann zur Leistung der Morgengabe verpflichtet ist, ändert nichts daran, dass es dazu keine gesetzlicheVerpflichtung gibt und folglich auch eine auf muslimischem Glauben bzw. in muslimischen Gewohnheiten beruhende Morgengabe freiwilligen Charakter im Sinn des § 1232 ABGB aF hat (…).

Zusammengefasst ergibt sich, dass der Umstand, dass – wie hier – die Morgengabe auf dem islamischen Glauben beruht oder in islamischen Gewohnheiten wurzelt, nichts daran ändert, dass es sich um eine Morgengabe im Sinn des § 1232 (in Verbindung mit § 1217) ABGB aF handelt.

6. Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Mannes oder des Bräutigams, seiner Gattin eine Morgengabe zu geben, der Form nach mittels eines Ehepaktes übernommen werden muss (GlUNF 4143; ebenso Ogonowski, Ehegüterrecht I 347; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 [2002] § 1232 Rz 1). Gemäß § 1 Abs. 1 lit a Notariatsaktsgesetz ist die Gültigkeit von Ehepakten durch die Aufnahme eines Notariatsakts bedingt. Mangels eines solchen wurde demnach die zwischen den Streitparteien getroffene Vereinbarung über – insoweit hier streitgegenständlich – die Leistung von einem Kilogramm Gold vom Erstgericht zutreffend als formunwirksam und damit ungültig erkannt. Sein die Klage abweisendes Urteil war wiederherzustellen.

7. Wie eine Vereinbarung wie die vorliegende unter Ausklammerung der – hier noch anzuwendenden – besonderen Vorschriften der §§ 1217, 1232 ABGB aF rechtlich zu beurteilen wäre, kann mangels Entscheidungsrelevanz offen bleiben. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die – nicht auf der Grundlage der hier noch anzuwendenden alten Vorschriften geführte – Diskussion zur Qualifikation der islamischen Brautgabe (Morgengabe) als „Vertrag sui generis“ (…). (…)

OGH 26.9.2024, 8 Ob 88/24k