Mit ihrer Scheidungsklage warf die Frau dem Mann vor, nur seinen eigenen (Freizeit-)Interessen nachgegangen zu sein. Überdies habe er die Anforderungen einer anständigen Begegnung nicht erfüllt und die Frau bei der Bewältigung ihrer Erkrankung nicht unterstützt. Dass einige ehewidrige Verhaltensweisen des Mannes ein „Dauerzustand“ waren, verhinderte die Verfristung des Scheidungsbegehrens.

Aus der OGH-Entscheidung:

Ein Ehepartner verstößt gegen die Verpflichtung zur gegenseitigen Achtung, Rücksichtnahme und zum ehelichen Bemühen, dem anderen Ehepartner das Zusammenleben erträglich zu machen, wenn er ein Verhalten an den Tag legt, das den anderen kränkt oder geeignet ist, ihm Aufregung zu bereiten. Das Zurückziehen des Ehegatten aus dem Familienverband begründet ebenso eine schwere Eheverfehlung wie wiederholte grundlose Beschimpfungen und überhaupt die Verletzung der Verpflichtung zur anständigen Begegnung zwischen den Ehegatten oder Verletzung der Beistandspflicht (§ 90 ABGB). Die zum Wesen der Ehe gehörende Gemeinsamkeit der Lebensführung beschränkt sich keinesfalls auf eine rein räumliche Gemeinsamkeit, sie erfordert auch ein geistig-seelisches Miteinander. Sie beinhaltet, dass bei der Freizeitgestaltung Kompromisse geschlossen werden müssen, damit auch die Interessen und Wünsche des Partners berücksichtigt werden. Häufiges Alleinlassen des Ehegatten, insbesondere auch zu Wochenenden, stellt eine schwere Eheverfehlung dar.

Gemäß § 57 Abs. 1 EheG erlischt das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens, wenn der Ehegatte nicht binnen 6 Monaten die Klage erhebt. Verfristete und verziehene Eheverfehlungen können nach § 59 Abs. 2 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage herangezogen werden. Diese neuen Eheverfehlungen brauchen für sich allein nicht zu einer Scheidung ausreichen, sie dürfen aber auch nicht vollkommen belanglos sein. Sie müssen jedenfalls zusammen mit der hilfsweise geltend gemachten Eheverfehlung schwer sein, damit ein Scheidungsgrund vorliegt.

Fortgesetztes ehewidriges Verhalten ist als Einheit aufzufassen, sodass der Fristablauf auf die letzte Handlung abzustellen ist. Gerade in den Fällen, in denen der Scheidungsgrund nicht in einem punktuellen Verhalten besteht, sondern sich eine Reihe von an sich nicht so schwerwiegenden Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit zu einem Scheidungsgrund verdichtet, läuft die Frist erst von der Kenntnisnahme der letzten in diesem Zusammenhang konkretisierbaren ehewidrigen Handlung des Partners.

OGH 27.2.2019, 7 Ob 196/18a