Ein Elternteil lebt von seinem Kind getrennt und übt das Kontaktrecht nur in einem „unterdurchschnittlichen“ Umfang aus – muss er mehr Kindesunterhalt zahlen? Die Kinder meinten, ihnen stünde bei der nach der Prozentwertmethode vorzunehmenden Unterhaltsbemessung „wegen mangelnder Betreuungstätigkeit“ des Vaters ein 50%-iger Zuschlag zu. Diese Vorstellung teilte keine der drei Instanzen. Der nicht betreuende Elternteil ist nämlich ausschließlich zur Zahlung von Geldunterhalt verpflichtet. Dieser erhöht sich nicht dadurch, dass der Elternteil keinen weiteren Naturalunterhalt – den er gar nicht schuldet – leistet. Für „Unterhaltsaufschläge“ bietet das Gesetz keine Grundlage.

Aus der OGH-Entscheidung:

Der geldunterhaltspflichtige Elternteil schuldet keine Naturalleistungen, sondern ausschließlich Geldunterhalt (vgl. RS0116443[T2]). Überschreiten die Besuchskontakte bei diesem das „übliche Ausmaß“, kann dies zu einer Reduzierung der (Geld-)Unterhaltspflicht führen (RS0047452). Der sorgeberechtigte Elternteil wird dann nämlich nur einen Teil jener Aufwendungen haben, die der Geldunterhalt abgelten soll, sodass der Unterhaltsberechtigte zur Bestreitung seines vollständigen Unterhalts nur mehr eines geringeren Geldbetrags bedarf. In einem solchen Fall ist gemischter Unterhalt, bestehend aus Naturalleistung und Geldleistung zulässig (RS0047460). Für die Reduzierung der (Geld-)Unterhaltspflicht ist nicht von den Aufwendungen des Geldunterhaltspflichtigen, sondern von den ersparten Aufwendungen des betreuenden Elternteils auszugehen (RS0047452[T1, T9]).

Daraus, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil um den Aufwand entlastet werden soll, den sich der betreuende (andere) Elternteil dadurch erspart, dass der Geldunterhaltspflichtige – ohne dazu verpflichtet zu sein – im Rahmen eines über das „Übliche“ hinausgehenden Kontaktrechts auch Naturalunterhalt leistet, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass in dem Fall, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil neben seinem (ausschließlich geschuldeten) Geldunterhalt (im Rahmen seines Besuchsrechts) keinen weiteren – nicht geschuldeten – Naturalunterhalt leistet, der Geldunterhalt zu erhöhen sei. Der von den Revisionsrekurswerbern für diesen Fall angestrebte „Zuschlag“ würde auf eine „unterhaltsrechtliche Bestrafung“ des kontaktunwilligen Elternteils hinauslaufen, wofür das Gesetz keine Grundlage bietet. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Mutter dem Vater offenbar nur ein begleitetes Besuchsrecht zugestehen möchte, wodurch sich die Kinder aber keine nennenswerten Versorgungsleistungen ersparen würden, die aus dem (regulären) Geldunterhalt zu finanzieren wären. Dies ist allerdings das Hauptargument der Revisionsrekurswerber für den begehrten „Zuschlag“ wegen der unterdurchschnittlichen Besuchskontakte des Vaters.

Zur – im Revisionsrekurs ins Treffen geführten – Ansicht von Gitschthaler (vgl. Unterhaltsrecht4[2019] Rz 87) ist anzumerken, dass dieser primär für eine – hier gar nicht vorliegende – (gänzliche) Verweigerung der Kontaktrechtsausübung eine Erhöhung des Geldunterhalts in den Raum stellt und dies von der Prämisse abhängig macht, dass bei Ermittlung der Unterhaltspflicht nach der Prozentwertmethode durchschnittliche Besuche (im Sinn durchschnittlicher Kosten des Unterhaltspflichtigen bei der Kontaktausübung und durchschnittlicher Ersparnisse des betreuenden Elternteils während dieser Zeit) berücksichtigt sind. Nach Ansicht des Senats ist eine solche Prämisse aber nicht zugrundezulegen, würde dies doch dem dargestellten Grundsatz widersprechen, wonach der nicht betreuende Elternteil ausschließlich Geldunterhalt schuldet. Die Revisionsrekurswerber vermögen auch nicht aufzuzeigen, dass bei der seinerzeitigen Entwicklung der Prozentwertmethode zur Konkretisierung der Unterhaltspflicht für typische Fälle von der Judikatur davon ausgegangen worden wäre, dass der Geldunterhaltspflichtige im Rahmen seiner Besuchskontakte typischerweise ins Gewicht fallende geldwerte Naturalleistungen erbringt.

OGH 25.9.2019, 1 Ob 107/19w